Nur mit Überweisung in Ambulanz?

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die Kammer warnt vor einem Ärztemangel in Spitälern und fordert unter anderem, dass Patienten nur noch mit einer Überweisung Ambulanzen aufsuchen dürfen.

Wien. Verkürzte Arbeitszeiten wegen des neuen Arbeitszeitgesetzes, anhaltend starker Andrang in den Ambulanzen und Abwanderung von Medizinern ins Ausland führen zu einem dramatischen Ärztemangel in den Spitälern. Sollte sich diese Entwicklung fortsetzen, drohe dem Gesundheitssystem in Österreich eine „deutliche Verschlechterung“, warnt die Ärztekammer.

25 Prozent der aktiven Spitalsärzte würden innerhalb der nächsten zehn Jahre in Pension gehen, das bedeute einen Verlust von rund 6400 Medizinern (bei einem Gesamtstand von etwas mehr als 24.000 Spitalsärzten), sagte Harald Mayer, Obmann der Bundeskurie der angestellten Ärzte, bei einer Pressekonferenz am Mittwoch. Derzeit seien 300 Stellen in den Spitälern unbesetzt. Wegen der überlaufenen Spitalambulanzen fordert er zudem, dass die Patientenströme besser gelenkt werden: „Wir werden strukturierte Zugänge ins Gesundheitssystem brauchen.“ Die Aufnahme in Ambulanzen sollte nur noch mittels Überweisung (abgesehen von Notfällen) möglich sein.

Darüber hinaus zeichne sich ab, dass junge Ärzte nicht ihr gesamtes Berufsleben im Krankenhaus verbringen wollten – und auch kürzere und flexiblere Arbeitszeiten wünschten: Für viele jüngere Ärzte seien die Arbeitsbedingungen nicht attraktiv genug. Für den Obmann der Bundessektion Turnusärzte, Karlheinz Kornhäusl, ist es nur „sehr eingeschränkt möglich, eine Karriere im Spital mit Familie und Kindern zu vereinbaren“.

7000 Ärzte ins Ausland gegangen

Seit 2003 sind laut Kornhäusl 7000 Ärzte ins Ausland gegangen. Zur Entlastung von Turnusärzten fordert er die Einrichtung von Dokumentationsassistenten und Abteilungssekretariaten. Aber auch Kinderbetreuungseinrichtungen im Haus seien notwendig. Zur Verdeutlichung der hohen Drop-out-Quoten verweist er auf die Statistik: Pro Jahr beginnen etwa 1500 Personen ein Medizinstudium, aber nur 1300 schließen es ab – von diesen bleiben wiederum nur 900 in Österreich. Auch die Bereitschaft der Turnusärzte, nach Abschluss ihrer Ausbildung weiterhin im Spital zu arbeiten, ist gering – lediglich 36 Prozent haben das vor. Eine Eindämmung der Bürokratie forderte auch Mayer. Spitalsärzte würden 40 Prozent ihrer Zeit für Administration und Dokumentation aufwenden. Diese Tätigkeiten sollten von nicht medizinischem Personal ausgeführt werden, hier sei noch „viel Spielraum“.

Die Umsetzung des Arbeitszeitgesetzes zur Beschränkung der Arbeitszeit auf 48 Stunden pro Woche begrüßt die Ärzteschaft grundsätzlich: Dies sei „ein wichtiger Schritt“ zur Entlastung der Mediziner gewesen. Gleichzeitig verweist Mayer darauf, dass das eine Quasireduktion der Arbeitszeit um 20 Prozent bedeute. Man solle nun die Übergangsbestimmungen bis 2021, die es erlauben, mehr als diese 48 Stunden zu arbeiten, sinnvoll nutzen. Seit 2000 habe laut Rudolf Knapp, dem stellvertretenden Obmann der Bundeskurie der angestellten Ärzte, die Zahl der Mediziner zwar um 39 Prozent zugenommen. Gleichzeitig aber sei die Zahl der niedergelassenen Ärzte um vier Prozent gesunken – wogegen es bei den Wahlärzten ein Plus von 124 Prozent gab.

Werden Privatpatienten vorgereiht?

Am Mittwoch übte zudem der Hauptverband der Sozialversicherungsträger Kritik an den langen Wartezeiten bei Radiologen. Während Kassenpatienten oft bis zu acht Wochen auf eine CT- oder MRT-Untersuchung in einem Röntgeninstitut warten müssten, würden jene, die privat zahlen, in einigen Praxen vorgereiht. Dies würde aber gegen die abgeschlossenen Verträge verstoßen. Die meisten Beschwerden liegen aus Wien, Niederösterreich und der Steiermark vor. Laut Hauptverband werden jetzt Vertragsauflösungen und Klagen überlegt.

Die Radiologen weisen die Kritik zurück. Die langen Wartezeiten haben laut dem Sprecher der Institute für bildgebende Diagnostik „nur eine einzige Ursache: Die Untersuchungen wurden ab 2010 durch den Hauptverband gedeckelt, gleichzeitig steigt der Bedarf, und es entstehen Wartezeiten.“ Auch die Radiologen in den Spitälern seien ausgelastet, sodass von dort viele Patienten an die Institute verwiesen würden. „Aber die Ausgabenobergrenze wird durch die Krankenkassen nicht erhöht – da darf sich niemand wundern, dass lange Wartezeiten entstehen.“ (kb)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.12.2015)

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