Die EZB könnte heute neue Maßnahmen beschließen. In Deutschland bestehen massive Zweifel an der Richtigkeit der bisherigen Politik "des billigen Geldes".
Mittelfristig strebt die Europäische Zentralbank (EZB) eine Teuerungsrate von knapp unter 2,0 Prozent an. Trotz Nullzinsen, Strafzinsen, milliardenschwerer Kaufprogramme und einer Flut billiger Notkredite ist die Inflation im Euroraum meilenweit vom EZB-Ziel entfernt, gerade einmal 0,1 Prozent hat die Jahresteuerung im November betragen, obwohl die EZB die Märkte mit Geld flutet. Deshalb wird die Notenbank wohl nachlegen. EZB-Präsident Mario Draghi scheint zum Handeln entschlossen: "Wir werden alles Notwendige tun, um die Inflation so schnell wie möglich wieder zu erhöhen."
Die Erwartung ist groß, dass die EZB heute weitere Maßnahmen beschließen wird - gegen deutschen Widerstand. Dauerhaft niedrige Preise könnten Firmen und Verbraucher verleiten, Investitionen aufzuschieben - in der Hoffnung auf weiter sinkende Preise. Das könnte die Konjunktur ausbremsen. Das viele billige Geld soll die Inflation wieder in Richtung der Zwei-Prozent-Marke treiben.
Höhere Strafzinsen
Diskutiert wird über eine Ausweitung des Billionen-Programms zum Kauf von Staatsanleihen und anderen Wertpapieren. Seit März pumpt die EZB auf diesem Weg monatlich 60 Mrd. Euro in den Markt. Laufen sollen die Käufe nach bisherigen Plänen bis mindestens September 2016. Das Programm könnte aber "in Umfang, Zusammensetzung und Dauer" angepasst werden, hatte Draghi mehrfach bekräftigt. Die EZB könnte Banken aber auch höhere Strafzinsen für Geld aufbrummen, das diese über Nacht bei der Notenbank parken. Würde der Einlagenzins von derzeit minus 0,2 Prozent weiter gesenkt, könnte das Geschäftsbanken dazu bewegen, mehr Kredite zu vergeben, statt überschüssige Liquidität bei der EZB zu bunkern.
In Deutschland ist die ultra-lockere Geldpolitik umstritten, es gibt massive Zweifel an der Wirksamkeit weiterer Maßnahmen. "Konjunkturell wäre kein nennenswert positiver Effekt zu erwarten", meint Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise. Die Wirtschaft im Euroraum brauche keine zusätzliche Unterstützung durch die Geldpolitik. Auch bezweifelt wird, dass höhere Strafzinsen Banken zu mehr Krediten bewegen würden. DZ-Bank-Analyst Christian Reicherter verweist auf Erfahrungen aus der Schweiz: Dort geben Banken diese Zusatzkosten über höhere Hypothekenzinsen an Kunden weiter. Kredite würden teurer.
Die Bundesbank warnt vor Risiken für die Finanzstabilität infolge der Geldflut: "Je länger niedrige Zinsen andauern, umso mehr bestehen für die Marktteilnehmer Anreize, erhöhte Risiken einzugehen." Helaba-Chefvolkswirtin Gertrud Traud ist überzeugt: "Die Kosten dieser Geldpolitik sind weitaus größer als der vermeintlich Nutzen."
Billiges Geld kauft nur Zeit
Bundesbank-Präsident Jens Weidmann fürchtet, dass Regierungen sich an niedrige Zinsen gewöhnen und Reformen verschleppen könnten: "Je länger die extrem lockere Geldpolitik andauert, umso weniger wirkt sie und umso mehr Risiken und Nebenwirkungen kommen ins Spiel." Sabine Lautenschläger, ehemals Bundesbank-Vize und nun im EZB-Direktorium, sagt, das billige Geld kaufe Zeit, behebe aber nicht die Ursachen.
Das Zinsniveau im Euroraum bleibt absehbar extrem niedrig. Das ist schlecht für Sparer, die in Deutschland traditionell vor allem auf Tagesgeld, Festgeld und Sparbuch setzen. Auf der anderen Seite sind Baukredite historisch günstig, auch wenn die Hypothekenzinsen im Frühjahr sogar noch günstiger waren als derzeit. Die EZB-Geldflut hat auch noch einen anderen Effekt: Der Euro verliert gegenüber dem Dollar an Wert. Das bekommen alle zu spüren, die in die USA reisen. Auch Urlaube in der Schweiz oder Reisen in Nicht-Euroländer wie Großbritannien werden tendenziell teurer.
(APA/dpa)