Röntgen: „Gefährliche Mangelversorgung droht“

Inside The Hong Kong Integrated Oncology Centre
Inside The Hong Kong Integrated Oncology Centre(c) Bloomberg (Xaume Olleros)
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Die Wartezeiten auf CT- und MRT-Termine haben eine neue Dimension erreicht.

Wien. Es hört sich unglaublich an, ist aber Alltag in Österreichs Spitälern. Bei einer im Sommer wegen eines Karzinoms im Darm operierten Patientin ist vergangene Woche auf einem Lungenröntgenbild ein Rundherd zu sehen. Um herauszufinden, ob es sich dabei um einen neuen Tumor, Metastasen des Darmkrebses oder etwas ganz anderes handelt, braucht es eine Computertomografie (CT). Das Krankenhaus hat keine Kapazitäten dafür, bei einem niedergelassenen Radiologen gibt es erst Ende Jänner einen Termin. Ohne Übertreibung lässt sich sagen, dass zwei Monate in diesem Fall über Leben und Tod entscheiden können.

Ein zweites Beispiel: Bei einem Mann wird Lungenkrebs im operablen Stadium diagnostiziert. Für die OP wird unter anderem eine Magnetresonanztomografie (MRT) vom Kopf benötigt. Die Wartezeiten dafür betragen derzeit zwei bis drei Monate. In drei Monaten könnte der Tumor aber nicht mehr operabel sein. In beiden Fällen haben die Patienten ihre CT bzw. MRT privat bezahlt (rund 200 bzw. 300 Euro) – denn wer bezahlt, kommt zumeist noch am selben Tag dran.

Zu verdanken ist diese Entwicklung dem neuen Arbeitszeitgesetz, wonach Spitalsärzte nur noch 48 Stunden pro Woche arbeiten dürfen und daher in vielen Stationen Schichten ausfallen müssen – etwa auf radiologischen Stationen. Patienten müssen also auf den niedergelassenen Bereich ausweichen. Da es dort aber eine Kostenobergrenze für Untersuchungen gibt, die einer Deckelung gleichkommt, entstehen lange Wartezeiten. Denn: Um gegen Ende des Jahres nicht gratis arbeiten zu müssen, weil die Obergrenze erreicht ist, verteilen die Radiologen die Untersuchungen von Anfang an auf das ganze Jahr.

Aufhebung von Deckelungen

Die Ärzteschaft – angeführt vom Wiener Kammerpräsidenten Thomas Szekeres – verlangt schon seit Langem die Aufhebung solcher Deckelungen und eine Stärkung des niedergelassenen Bereichs, etwa durch mehr Kassenverträge. Sollte sich nichts ändern, droht laut Gernot Rainer, Obmann der Ärztegewerkschaft Asklepios, eine „gefährliche Mangelversorgung“. Unter diesen Umständen könne man Patienten nicht mehr verantwortungsvoll behandeln. „Bekomme ich die notwendigen Untersuchungen nicht, kann ich keine Diagnose stellen und keine Therapie anbieten. Das ist für Ärzte frustrierend, für Patienten potenziell lebensbedrohlich“, sagt Rainer. „Ein kategorisches Leugnen der Zustände seitens der Politik hilft niemandem.“

Und was sagt der Hauptverband der Sozialversicherungsträger dazu? Er negiert, dass es Kontingente für Leistungen gibt, und verteidigt den mit den Radiologen vereinbarten „Mengenrabatt“. Das „Prinzip der Pauschalzahlungen“ (sprich: Kostenobergrenze) sei bei Verträgen im öffentlichen Bereich üblich. Zum besseren Verständnis bemüht Bernhard Wurzer, stellvertretender Generaldirektor, einen bemerkenswerten Vergleich: „Wer 1000 Semmeln kauft, bekommt auch einen anderen Preis als jemand, der nur zehn kauft.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.12.2015)

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