Syrien-Einsatz wird für Labour zur Zerreißprobe

BRITAIN SYRIA AIRSTRIKES
BRITAIN SYRIA AIRSTRIKES(c) APA/EPA/Cpl Andy Holmes/HANDOUT
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Nach der Zustimmung des Unterhauses sind britische Kampfjets erste Luftangriffe gegen den IS in Syrien geflogen. Dutzende Labour-Abgeordnete stimmten mit der Regierung und gegen ihren umstrittenen Parteichef.

London. Nur eine Stunde nach der Zustimmung des britischen Unterhauses zu Luftangriffen gegen die Terrormiliz IS in Syrien haben vier Tornados der Royal Air Force in der Nacht auf Donnerstag die ersten Einsätze durchgeführt. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums wurde ein Ölfeld unter IS-Kontrolle bombardiert. Zuvor hatte das Unterhaus mit einer klaren Mehrheit von 147 Stimmen für die Luftschläge gestimmt, und Premier David Cameron sprach von „einer richtigen Entscheidung, die unser Land sicherer machen wird“.

Die Unterhausdebatte von mehr als zehn Stunden war vor allem von bemerkenswerten Redebeiträgen einer tief gespaltenen Labour Party geprägt. Schattenaußenminister Hilary Benn erntete mit seinem machtvollen Schlusswort seltenen Beifall von beiden Seiten des Hauses: „Unsere Partei hat sich immer durch ihren Internationalismus definiert. Wir glauben, dass wir Verantwortung haben. Wir sind niemals abseits gestanden und müssen dem Übel entgegentreten.“ Die frühere Labour-Außenministerin Margaret Beckett fragte ihre Parteifreunde: „Wie würden wir uns fühlen, wenn das, was in Paris geschehen ist, in London passiert und wir unsere Freunde um Hilfe bitten, und sie uns verweigert wird?“ Von 231 Labour-Abgeordneten stimmten 66 mit der Regierung, ein fast beispielloser Akt des Widerstands gegen die Parteiführung.

Cameron hingegen, dessen Partei nur eine Mehrheit von zwölf Abgeordneten hat, konnte nun mit der klaren Zustimmung seine Abstimmungsniederlage von August 2013 ausmerzen, als das Parlament gegen Luftschläge in Syrien gestimmt hatte. Dennoch verspielte er viel Ansehen, indem er vor der Abstimmung Gegner von Luftschlägen pauschal als „Terrorsympathisanten“ bezeichnete und dann eine Entschuldigung verweigerte. Wesentlich mehr Zustimmung als der Premier erntete Außenminister Phillip Hammond, der erklärte: „Wir müssen den Kampf, der an uns herangetragen worden ist, annehmen.“ Zugleich räumte er ein, dass Luftschläge für eine Lösung des Syrien-Konflikts nicht ausreichen werden: „Wir brauchen eine Verhandlungslösung, wofür die Wiener Verhandlungen erste Voraussetzungen geschaffen haben.“

Der Chef der Labour Party, Jeremy Corbyn, warf der Regierung vor, „keine Strategie und keinen Plan“ zu haben. Mit seiner Intervention konnte er aber selbst viele seiner Parteifreunde nicht überzeugen, auch wenn seine engste Umgebung nach der Abstimmung behauptete, Corbyn sei „gestärkt“ aus der Debatte hervorgegangen: Immerhin habe die Mehrheit der Fraktion mit dem Parteichef gestimmt.

Derartige Stellungnahmen werden den Graben zwischen Parlamentsfraktion und Parteibasis vertiefen. Immer lauter werden die Klagen von gemäßigten Abgeordneten, sie würden aggressiv unter Druck gesetzt und mit der Abwahl bedroht. Nach der Abstimmung wurden Befürworter der Luftschläge von friedensbewegten Demonstranten als „Abschaum“ und „Verräter“ beschimpft.

Genau diese Aktivisten sind es, die den altlinken Corbyn im September mit überwältigender Mehrheit zum Parteichef gewählt hatten. Vor der Abstimmung hatte ausgerechnet er Abweichlern gedroht, sie hätten danach „keinen Ort mehr, an dem sie sich verstecken können“. Eine Säuberung der Fraktion schloss Corbyn, der nach seiner Wahl eine „neue und freundlichere Politik“ versprochen hatte, ausdrücklich nicht aus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.12.2015)

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