Am 15. Dezember wird Kommissionspräsident Juncker Vorschläge zur konsequenten Registrierung von Flüchtlingen vorlegen.
Brüssel. Nachdem die Türkei die Weiterleitung von Flüchtlingen in die EU gedrosselt hat, sollen nun auch die Kontrollen an der Südgrenze des Schengen-Raums verschärft werden. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker will am 15. Dezember Vorschläge für einen gemeinsamen Grenzschutz präsentieren. Ziel ist es, an der Außengrenze künftig alle Zuwanderer konsequent zu registrieren. Wie es aus Kreisen des EU-Parlaments heißt, sollen Junckers Pläne sogar ein Durchgriffsrecht auf die nationalen Grenzschutzbehörden enthalten. Bisher war der Grenzschutz souveräne Kompetenz der Mitgliedstaaten. Ob einem solchen Vorschlag alle Regierungen zustimmen würden, ist denn auch fraglich.
Die Maßnahme zielt in erster Linie auf Griechenland ab, das mit der Kontrolle seiner Außengrenze offensichtlich überfordert ist. Athen wehrt sich in dieser Frage aber seit Wochen gegen eine Einflussnahme durch EU-Partner. EU-Kommissar Johannes Hahn wies im Gespräch mit österreichischen Journalisten darauf hin, dass es darum gehe, dass Athen die Hilfe annehme. Er sprach davon, in Brüssel eine Koordinationsstelle für den Grenzschutz ähnlich dem Katastrophenschutz einzurichten. Im Bedarfsfall sollen von hier aus Personal und technische Ausrüstung kurzfristig an Grenzen verlagert werden. Diese Aufgabe erfüllt allerdings bereits die EU-Grenzschutzagentur Frontex. Sie koordiniert den gemeinsamen Grenzschutz, ist aber auf die Bereitschaft der Mitgliedstaaten angewiesen. „Jeder kennt die schwierige Lage in Griechenland“, sagte der Vizepräsident der EU-Kommission, Jyrki Katainen, und bestätigte damit indirekt die Pläne.
Athen: „Feindliche Atmosphäre“
Drohungen, dass Griechenland im Fall einer Verweigerung der Hilfe aus der Schengen-Zone ausgeschlossen werden könnte (siehe auch Seite 1), wollte in Brüssel niemand bestätigen. Die Regierung in Athen dementierte Zeitungsberichte, wonach sie eine solche Drohung erhalten habe. Griechenland habe, stellte Staatsministerin Olga Gerovasili in einer Erklärung fest, „trotz großer Schwierigkeiten die europäischen Verpflichtungen erfüllt“. Leider würden bestimmte „europäische Kreise“ aber „die Tatsachen verdrehen, da sie glauben, die Zukunft Europas könne auf phobischen Reflexen, Zäunen und Ausschluss gegründet werden“. Ebendiese Kreise hätten in den vergangenen Tagen auch die feindliche Atmosphäre gegen Griechenland geschürt und mit dem Schengen-Austritt gedroht. Tatsächlich mehrte sich zuletzt Kritik an der geringen Kooperationsbereitschaft der griechischen Behörden. Offen wurde von der niederländischen Regierung die Option eines Mini-Schengen angeregt, an dem weder Griechenland noch Italien beteiligt sein sollen.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.12.2015)