Warum die Marke Zielpunkt gescheitert ist

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Ein Markenexperte erklärt, was Zielpunkt gefehlt hat und warum die Lebensmittelkette "vielen Konsumenten egal" war.

Wien. Warum kaufen Leute die Lebensmittel beim Unternehmen A und nicht bei B? Weil sie einen Grund dafür finden, antwortet Helmut Kosa, Chef der Werbeagentur Pjure Isobar in Wien. „Wieso hätte Zielpunkt die erste Wahl beim Lebensmittelkauf sein sollen?“, fragt er und nennt die Hauptursache für die Insolvenz: „Der Marke Zielpunkt fehlte ein Grund.“

Ein Unternehmen müsse ein Versprechen abgeben, das für den Kunden spürbar sei. Auch diese Regel habe Zielpunkt gebrochen. Erst wenn eine Marke Aufmerksamkeit errege, könne jemand auf die Idee kommen, in dieses Geschäft zu gehen. Das Zielpunkt-Logo habe jeder gekannt, die Marke Zielpunkt aber kaum einer. „Hinter einer Marke entsteht eine Welt. Bei Nike beispielsweise entsteht eine Sportwelt, man denkt an Freizeit und Hobbys. Bei Zielpunkt ist keine dahinter stehende Welt entstanden.“ Bei vielen Menschen habe die Marke weder ein positives noch ein negatives Gefühl ausgelöst: „Sie war ihnen egal.“

Als das marode Unternehmen vor drei Jahren von der Pfeiffer-Gruppe übernommen wurde, hätte man einen klaren Schnitt machen müssen, sagt Kosa. Damals wäre noch Platz im Diskontbereich gewesen – auch, weil 2012 Lidl noch nicht so stark positioniert war. Inzwischen habe die Nummer vier im heimischen Lebensmitteleinzelhandel (hinter Rewe, Spar und Hofer) mit einem hohen Investment in Kommunikation einen erfolgreichen Markenrelaunch hingelegt und vorgezeigt, wie man von einem ganz schlechten Image wegkommen könne. Lidl habe der Marke mit einem klaren Auftritt ein österreichisches Flair gegeben, mit heimischer Volksmusik in der Werbung, aber auch mit Produkten, bei denen die Regionalität deutlich mitschwingt, fügt der Experte hinzu.

Dass auch der Weg vom Diskonter zum Supermarkt möglich sei, habe Hofer bewiesen. Der Noch-immer-Diskonter habe es geschafft, dass seine Kunden das Gefühl haben, gute Qualität zu einem „superguten Preis“ zu kaufen, erklärt Kosa aus Markensicht. Die Entwicklung in Richtung Supermarkt mit einem Frischeangebot, einem Backshop und immer zahlreicheren Markenartikeln sei unübersehbar.

Zurück zu Zielpunkt: Auch die Änderung bei den Wurst- und Fleischtheken sei nicht glücklich gewesen. Eigentümer Pfeiffer hätte Schirnhofer, eines der ganz wenigen Assets bei der Lebensmittelkette mit 228 Filialen, als Betreiber seines Fleisch- und Wurstbereichs behalten sollen. Bei vielen Kunden löste Schirnhofer als Partner positive Erfahrungen aus. Daher stellt sich für Kosa diese Maßnahme im Nachhinein als Fehler dar – natürlich, ohne die Beweggründe für die damalige Entscheidung zu kennen. Denn die aus seiner Sicht einzige Stärke hätte man nicht verlieren dürfen. So blieb nichts mehr übrig.


Schlechte Kommunikation. Die Kommunikation sei nicht optimal gelaufen, meint Kosa. Es sei kein klares Ziel für die Ausrichtung des Unternehmens zu erkennen gewesen. „Theoretisch noch das Einfachste, denn viel schwieriger ist es, die Ziele im Tagesgeschäft zu leben.“ Ohne Ziele habe es keine klare Erwartungshaltung geben können.

Der von Pfeiffer ferngesteuerte Zielpunkt habe über die Jahre „Schönfärberei“ betrieben. Als Höhepunkt sprach Geschäftsführer Erich Schönleitner noch eine Woche vor der Ankündigung der Insolvenz im Interview mit dem „Wirtschaftsblatt“ von ca. zwei Prozent mehr Umsatz pro Filiale. Zu einem Zeitpunkt, zu dem Zielpunkt wegen eines massiven Umsatzminus bereits tief in die Depression gefallen sein soll. „So ein Interview geht gar nicht“, kritisiert Kosa. Da geht es um Fairness allen Beteiligten gegenüber. Da wäre eher absolute Krisen-PR angesagt gewesen. Man muss im Krisenfall nicht alles sagen, aber kann sich auch nicht hinstellen und Unwahrheiten verbreiten, falls es welche waren. Erwartungshaltungen zu wecken, die zu 100 Prozent nicht erfüllt werden können, lehnt CEO Kosa kategorisch ab.

Er empfiehlt, die Krisen-PR nicht zu spät einzusetzen und dabei „den Mitarbeitern gegenüber sehr transparent zu sein“. Seiner Erfahrung nach sei oftmals mit offener Kommunikation neue Energie entstanden, die in einen stärkeren Zusammenhalt gemündet habe. In der Krise brauche man eine klare Strategie. Sich hinzustellen und zu sagen, alles sei schlecht, aber es gebe keinen Plan, das sei fatal.

MarkenexperteHelmut Kosa, CEO der Werbeagentur Pjure Isobar, analysiert das Versagen der Marke Zielpunkt.

Fazit. „Bei der Übernahme durch die Pfeiffer-Gruppe wäre ein klarer Schnitt notwendig gewesen.“

© Pjure Isobar

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.12.2015)

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