Ein Rechtsruck in Frankreichs Regionen

FRANCE REGIONAL ELECTIONS
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Das Klima des Notstands bestimmte den ersten Durchgang. Nachwahlbefragungen sehen den Front National in sechs Regionen voran. Schlussendlich entscheidet eine Stichwahl.

Paris. Die Regionalwahlen waren die letzten vor den französischen Präsidentenwahlen 2017. Und es wird wohl den erwarteten Wahlsieg des rechten Front National geben. Die Partei von Marine Le Pen erreichte am Sonntag zwischen 29,5 und 30,8 Prozent, gefolgt von den rechtsgerichteten Republikanern von Ex-Präsident Nicholas Sarkozy mit 27 Prozent und den Sozialisten von Präsident Francois Hollande mit rund 23 Prozent.

Laut France24 hat der FN mehr als 40 Prozent der Stimmen im Süden und Nordosten bekommen. In sechs von 13 Regionen könnte der Front National als Sieger hervorgehen, sollten die Exitpolls zutreffen. Le Pen liegt in Nord-Pas-de-Calais-Picardie klar vorn, ihre Nichte Marion Maréchal-Le Pen führt deutlich in der Region Provence-Alpes-Côte d'Azur im Südosten des Landes.

Marine Le Pen sagte in einer ersten Rede, der FN sei "die einzige größere echte republikanische Partei, weil sie die Nation und die Souveränität verteidigt". Doch wie groß ihr Erfolg wirklich sein wird, das werden erst die Stichwahlen nächsten Sonntag zeigen. Die Sozialisten können im zweiten Wahlgang am kommenden Sonntag dann mit Unterstützung von Grünen und radikaler Linken rechnen, die zusammen bei gut 10 Prozent landeten. Sarkozy schloss hingegen in einer ersten Reaktion am Sonntagabend einen Pakt mit den Sozialisten aus.

Regionalräte mit wenig Kompetenzen

Für die 44 Millionen Wähler war es eine Gelegenheit, sich direkt zur Lage der Nation zu äußern. Die Probleme ihrer Region und die Vorschläge der Kandidaten zur beschränkten Zuständigkeit der Regionalräte waren für die wenigsten ausschlaggebend. Die Bürger, die sonst in Frankreich wenig direkte Mitsprachemöglichkeiten haben, nutzen solche Zwischenwahlen immer gern als Chance, um den Regierenden einen Denkzettel zu verpassen.

Als die Rechte in Paris an der Macht war, triumphierten die Sozialisten mit ihren Verbündeten bei den Regionalwahlen von 2004 und 2010. Jetzt regiert seit 2012 die Linke, und angesichts der großen Enttäuschung der Wähler schlägt das Pendel dieses Mal nur umso stärker in die Gegenrichtung aus. Niemand würde sich über einen deutlichen Rechtsruck am 6. und 13. Dezember wundern. Sogar um ihre Bastion, die Pariser Hauptstadtregion Ile-de-France, muss die Linke zittern.

Votum der Wut und der Angst

Abgesehen von der Niederlage der sozialistischen Regierungspartei wurde aber schon im Vorfeld des ersten Durchgangs dieser Regionalwahlen ein unberechenbares Votum der Wut oder eine Wahl aus Angst erwartet. Es war jedenfalls kein Urnengang wie sonst in diesem Land, über das nach den mörderischen Attentaten vom 13. November der Notstand verhängt worden ist. Zweifellos hat sich die von der Furcht vor weiteren Terroranschlägen gedrückte Stimmung auf die Wahlen und auch auf die Beteiligung ausgewirkt. Die Wirtschaftsprobleme und die steigende Arbeitslosigkeit waren plötzlich etwas in den Hintergrund gerückt, im Vordergrund standen die Sicherheit und die Frage der präventiven Bekämpfung des islamistischen Terrorismus. Das sind Themen für Populisten wie Marine Le Pen vom Front National (FN).

Der FN konnte mit einem Drittel der Stimmen rechnen und damit erneut zur stimmenstärksten Partei avancieren. Ob die Le-Pen-Partei bei der nächsten Runde, den Stichwahlen kommenden Sonntag, zwei oder drei oder gar noch mehr der 13 Regionen erobern kann, hängt von Absprachen und Allianzen ihrer Gegner ab. Allerdings hat Ex-Präsident Nicolas Sarkozy im Namen der konservativen Opposition bisher alle Offerte von links, sich gegen den Vormarsch der extremen Rechten zu verbünden, ausgeschlagen.

Die Sozialisten, die bisher mit Grünen und anderen Linksparteien in allen Regionen außer dem Elsass regierten, schienen sich mit einer Schlappe abgefunden zu haben. Auch die plötzliche Popularität von Präsident François Hollande im Gefolge der Terroranschläge nützt ihnen nur wenig. Als hätten die Bürger nicht schon genug Grund zu Ärger und Unmut, hatte die Linksregierung noch vor diesen Wahlen eine Gebietsreform durchgesetzt, die mit einer Reihe von Fusionen die Zahl der Regionen von 22 auf 13 senkte. Das sollte diesen größeren Provinzen mehr Gewicht geben und Kosten sparen.

Mehr Macht haben die Regionen nicht erhalten, die vor allem für Wirtschaftsförderung und Raumplanung zuständig sind und auf Zuwendungen aus Paris angewiesen sind. In den meisten Fällen hat die Reform darum nur Ärger und Unfrieden gestiftet.

AUF EINEN BLICK

Regionalwahl. Die Wahl in den Regionen ist in Frankreich zumeist eine Denkzettelwahl. Zu Zeiten einer Rechtsregierung votierten die Franzosen zuletzt für die Linke, jetzt musste sich die Linksregierung trotz der neuen Popularität von Präsident Hollande auf einen Erfolg des rechtspopulistischen Front National einstellen. Die Linksregierung hat zudem eine Gebietsreform durchgesetzt: Die Verringerung der Regionenanzahl von 22 auf 13 und die Fusionierung haben in den Provinzen für viel böses Blut gesorgt. Im Vordergrund stand dabei die Kostenreduktion.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2015)

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