Marcel Hirscher bejubelte in Beaver Creek den ersten Super-G-Sieg. Die Kurssetzung erntete aber Kritik.
Beaver Creek/Lake Louise. In seiner Karriere hat Marcel Hirscher bereits zahlreiche Siege gefeiert, sein 32. im Weltcup am Samstag in Beaver Creek wird ihm dennoch in besonderer Erinnerung bleiben. Ausgerechnet der Technikspezialist sorgte im Super-G auf der Raubvogelpiste mit seinem allerersten Speed-Triumph für den ersten ÖSV-Erfolg in diesem Winter. „Das war sicher einer meiner größten Siege“, meinte der vierfache Gesamtweltcupsieger, der beim 13. Start in dieser Disziplin erstmals ganz oben auf dem Podest stand und selbst überrascht war. „Einen Sieg im Super-G hätte ich in frühestens fünf Jahren erwartet.“
Hirscher gewann vor dem US-Amerikaner Ted Ligety, die beiden Riesentorlauf-Rivalen kamen mit dem eng gesetzten Kurs von ÖSV-Trainer Florian Winkler auf der anspruchsvollen Birds-of-Prey-Strecke am besten zurecht – und profitierten auch von Wetterglück. Während die Favoriten um Aksel Lund Svindal (21.), Kjetil Jansrud (55.) und Hannes Reichelt (16.) bei dichtem Schneefall und schlechten Sichtverhältnissen auf die Strecke mussten, umgingen Hirscher (Startnummer vier) und Ligety (29) den Wintersturm.
„Hundert Prozent Attacke“
„Ich habe sicher von meiner Startnummer profitiert. Man muss seine Chancen aber auch beim Schopf packen, und das habe ich getan“, meinte Hirscher, der dennoch lange nicht an den großen Coup glauben wollte. „Das Ganze ist einfach schräg. Ich habe gespürt, dass es eine starke Fahrt war von mir, aber dass es dann auch wirklich aufgeht, ist eine andere Geschichte.“ Eigentlich hatte der Salzburger den Super-G nur „mitnehmen“ wollen, stattdessen erfüllte er seine Punktemission im Kampf um den Gesamtweltcup in Nordamerika mit dem „Hunderter“ bereits vorzeitig. Das Erfolgsrezept war schnell erklärt: „Egal, in welcher Disziplin du gewinnen willst, das geht nur über hundert Prozent Attacke. Anders hast du es eh nicht verdient.“ Dabei hatte sich Hirscher zunächst noch über die wetterbedingte Verkürzung der Strecke geärgert.
Die geschlagene Konkurrenz zollte dem „Teufelskerl“ (Svindal) zwar Respekt, übte aber auch Kritik an der Kurssetzung. „Wenn es von den Top sieben nur einer schafft, braucht man nicht viel dazu sagen“, meinte Reichelt, der 2014 und bei der WM im Februar den Super-G in Beaver Creek gewann, diesmal jedoch eine „miserable Fahrt“ hinlegte. „So einen langsamen Super-G sind wir noch nie gefahren. Da waren wir im Riesentorlauf schon schneller“, fand auch Romed Baumann.
Nichtsdestotrotz lobten auch die ÖSV-Trainer Hirschers Vorstellung. „Das war wirklich großartig. Der Schneefall darf seine Leistung nicht schmälern, auch Nummer vier war nicht gerade die Supernummer“, meinte Cheftrainer Andreas Puelacher, der ebenso wie Hirscher-Coach Michael Pircher vom Auftritt seines Schützlings überrascht wurde. „Das hätte sich keiner gedacht, ich am wenigsten“, gestand der Steierer und verwies auf lediglich drei Tage Super-G-Training im Vorfeld. „Im Rennen ist Marcel aber runtergefahren wie ein Henker.“
In den erlauchten Kreis jener Fahrer, die in allen fünf Disziplinen gewonnen haben, wird Hirscher, dem dafür noch ein Abfahrtssieg fehlt, in absehbarer Zeit allerdings nicht aufsteigen. Der Fokus liege weiterhin auf den Technikbewerben und Kombinationen. „Er steht jetzt ganz oben, das ist herrlich“, erklärte Pircher. „Aber wir bleiben unserem Weg treu. Nur wenn es passt, werden wir auch den Super-G fahren.“
Vonn feiert Lake-Louise-Double
In Lake Louise war einmal mehr Lindsey Vonn nicht zu schlagen. Die US-Amerikanerin gewann auch die zweite Abfahrt, damit fehlt ihr nur noch ein Sieg in dieser Disziplin, um auf Weltcup-Rekordhalterin Annemarie Moser Pröll (36 Erfolge) aufzuschließen. Vonn jubelte zum insgesamt 17. Mal auf ihrer Lieblingsstrecke in Kanada und widmete den Sieg ihrer Schwester Karin, die Geburtstag feierte. Aufgrund schlechter Sicht und vieler Schläge sei ihre Fahrt „sicher nicht perfekt“ gewesen, erklärte Vonn, die dennoch mit Respektabstand vor der Schweizerin Fabienne Sutter (+1,05 Sek.) und Cornelia Hütter (+1,16) gewann.
Hütter, die an Vonn am Vortag als Zweite bis auf 0,58 Sekunden herangekommen war, beklagte ebenfalls Probleme mit der Sicht. „Es war heute richtig anstrengend zum Fahren, denn man hat nichts gesehen“, sagte die 23-Jährige. Nicole Schmidhofer wurde nach einer Flugeinlage bei einem Sprung („wie eine Skispringerin“) Achte, Ramona Siebenhofer stürzte, kam aber glimpflich davon. (red.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2015)