Pop

Kimmo Pohjonen: Das Akkordeon muss nicht fröhlich sein

Kimmo Pohjonen(c) EGIDIO SANTOS
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Finnlands Avantgarde-Akkordeonist Kimmo Pohjonen zelebrierte sein Opus „Uniko“.

Das Akkordeon aus der Geiselhaft der klischeehaften Fröhlichkeit zu befreien, ist die vielleicht größte Leistung des 51-jährigen Finnen Kimmo Pohjonen. Seine elektro-akustische Musik strahlt kaum Lieblichkeiten aus. Zuweilen ist sie sogar von archaischer Widrigkeit. Er vertont alle emotionalen Wetterlagen, vor allem die garstigen. Seine düsteren Soundscapes haben David Bowie so begeistert, dass er ihn 2002 zum renommierten Meltdown Festival nach London einlud. Dort nahm Pohjonen zur Begeisterung des Publikums die bilderstürmerische Musik von Jimi Hendrix in die Mangel.

 

Ins Land der Melancholie!

So spektakulär war sein Auftritt im Wiener Konzerthaus zwar nicht, wohl aber hintersinnig. Mit dem Proton String Quartet und dem Elektroniker und Samplekünstler Samuli Kosminen lotete er sein 2004 entwickeltes, eher introvertiertes Werk „Uniko“ aus. Das erste Stück, „Atmos“, hob mit windähnlichem Seufzen an, ehe die Violinen ins gelobte Land Melancholia trugen. Vor melodischer Schönheit hat der abenteuerlustige Pohjonen jedenfalls auch keine Angst: Behutsam quetschte er Tränen aus seinem Instrument. Die sorgsam gesetzten Töne wandelten im Kleidchen abstrakter Folklore durch die Nebel einer zartbitteren Elegie. Gewittrige Aufwallungen waren rar. Sie kamen in Stücken wie „Emo“: Pizzicato-Exzesse, miauende Celli, kreischende Violinistinnen und trunkenes Schifferklavier ergaben bizarre Klangbilder, die an die legendären Afri-Cola-Werbespots von Charles Wilp erinnerten. Das Gros der flächigen Texturen war allerdings filigran, changierte tapfer zwischen Liebreiz und Bedrohlichkeit. Stücke wie „Plasma“ und „Utu“ schienen ohne gröbere Dramaturgie auszukommen.

Eindrucksvoll, zu welcher Abstraktion sich die Klangbilder Pohjonens entwickelt haben, wenn man bedenkt, dass er schon mit zehn Jahren ein Kinderstar in der Polka- und Tangoszene Finnland war. Seine Leidenschaft hat er sich jedenfalls auch abseits des Kommerzes bewahrt. Es gab Momente an diesem heftig beklatschten Abend, da tanzte er so wild, als wären ihm nordische Todesfeen auf der Spur. In der beinah lebenslustigen Zugabe „Voima“ blitzte sogar ein wenig Humor auf, der das sonst dominierende Gefühl von Gottverlassenheit munter wegwischte. (sam)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.12.2015)


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