Die Finanzminister und ihre Fata Morgana

Die Finanztransaktionssteuer wird als Insellösung deutlich mehr Schaden als Nutzen anrichten.

Seit Dienstagabend wissen wir, wie ein „Durchbruch“ ausschaut: Zehn EU-Finanzminister haben sich darauf geeinigt, über die Einführung einer Finanztransaktionssteuer weiterzureden. Vor dem „Durchbruch“ waren es übrigens elf. Und: 18 EU-Länder sind nicht dabei. Ein voller Erfolg also.

Vor allem aber: Die verbliebenen zehn wissen selbst noch nicht so recht, was sie eigentlich besteuern wollen. Denn natürlich will jeder seine Ausnahmen. Der Handel mit Staatsanleihen soll jedenfalls nicht besteuert werden. Man will sich ja nicht beim fröhlichen Schuldenmachen stören lassen. Dann soll es natürlich auch noch Ausnahmen für Pensionsfonds, Sozialversicherungen etc. geben. Und die Deutschen, hört man, wollen sogar Ausnahmen für ihre Frankfurter Börse, ja selbst für deren Derivatehandel.

Letzteres spricht für die Realitätsnähe des deutschen Finanzministers. Denn selbstverständlich weiß er, dass niemand irgendetwas in Frankfurt oder Wien oder Paris handeln muss. Die Finanzwirtschaft ist eine der wenigen wirklich globalisierten Branchen. Wenn ein Geschäft in Frankfurt, Wien oder Paris mutwillig belastet wird, dann macht man es eben in London, New York oder Singapur. Oder in Zürich, denn die Schweizer sind ja auch nicht so naiv, bei einer Insellösung mitmachen zu wollen.

Nicht, dass eine vernünftig dimensionierte Finanztransaktionssteuer das Teufelszeug wäre, als das sie von Finanzlobbys hingestellt wird. Im Gegenteil: Eine Steuer, die den Hochfrequenzhandel und andere hochspekulative Luftgeschäfte eindämmt, würde der Stabilität des Finanzsektors sicher recht guttun. Aber sie führt man entweder synchron auf allen wichtigen Handelsplätzen ein – oder gar nicht. Denn auch Hochfrequenzhandel muss niemand in Frankfurt machen.

Wenn also zehn Länder eine, wie es aussieht, simple Börsenumsatzsteuer auf Aktien und Derivate einführen, die – weil sich Profis ja helfen können – ohnehin nur ein paar Privatanleger und ansässige Unternehmen trifft, dafür aber eine Menge Geschäft von den Börsen dieser Länder abzieht, werden die Steuereinnahmen insgesamt nicht steigen, sondern sinken. Die österreichische Regierung wird sich ja etwas dabei gedacht haben, als sie die letzte Börsenumsatzsteuer (die wenig gebracht und wegen der Verlagerungseffekte viel gekostet hat) im Jahr 2000 abgeschafft hat. Die Wiedereinführung als Finanztranstransaktionssteuer wäre ein hoher Preis dafür, dass sich ein paar Politiker öffentlich auf die Brust klopfen und dafür loben dürfen, es den Spekulanten wieder einmal so richtig gezeigt zu haben.

Budgets wird man damit jedenfalls nicht sanieren können. Da wäre es besser, einen saftigen Aufschlag für den Erstkauf von Staatsanleihen anzudenken. Damit diese unattraktiver werden – und sich die Regierungen Geld endlich über Ausgabenreformen besorgen müssen. Klingt jedenfalls ähnlich seriös und umsetzbar wie eine Inseltransaktionssteuer.

josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.12.2015)

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