Die Stunde der saudischen Frauen

Wählerinnen bei der Abstimmung in Jeddah, der Heimatstadt von Neopolitikerin Lama al-Sulaiman.
Wählerinnen bei der Abstimmung in Jeddah, der Heimatstadt von Neopolitikerin Lama al-Sulaiman. (c) APA/EPA/AHMED YOSRI
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Für Saudiarabien ist es eine Sensation: Mehrere Frauen sind in die lokalen Parlamente gewählt worden, auch die bekannte Geschäftsfrau Lama al-Sulaiman.

Riad/Kairo. Lama al-Sulaiman weiß, wovon sie spricht. „Saudische Frauen sind Ärztinnen und Ingenieurinnen – es ist nicht so, als wenn Frauen bei uns nicht präsent wären“, sagt sie. Die internationalen Medien haben in ihren Augen manchmal einen zu engen Blickwinkel. „Sie schreiben nur über die negativen Seiten. Die gibt es, wir haben Schwächen, und jeder Bürger hat mit Problemen zu kämpfen, die man nicht kleinreden sollte“, fügt sie hinzu. Doch die Dinge seien in Bewegung geraten. „Die Mentalitäten ändern sich – gerade in den letzten zehn Jahren gab es viele Fortschritte.“ Wie zum Beispiel jetzt die ersten saudischen Kommunalwahlen in der Geschichte des Königreiches, bei denen Frauen kandidieren und wählen konnten.

Seit Jahren gehört die 48-Jährige in ihrer erzkonservativen Heimat zu den Pionierinnen. 2009 wurde sie in Jeddah als erste Frau im Land zur Vizepräsidentin der Industrie- und Handelskammer gewählt. Seit dem Wochenende sitzt sie nach Hochrechnungen zusammen mit der Frauenrechtlerin Rasha Hifsi im Kommunalparlament ihrer Heimatstadt. Im 60 Kilometer entfernten Mekka konnte sich Salma Hisab al-Utaibi durchsetzen. Laut einer staatsnahen Nachrichtenseite wurden insgesamt 17 Frauen gewählt.

Für die Heimat des Propheten Mohammed sind solche Erfolge eine gesellschaftliche Premiere, auch wenn das Land bei Frauenrechten zu den Schlusslichtern gehört. Erstmals können Frauen in der Kommunalpolitik politisch mitmischen. 980 Kandidatinnen konkurrierten mit 5900 männlichen Bewerbern um die 2100 Mandate. Anders als die Männer durften Frauen jedoch nicht auf Plakaten mit Fotos für sich werben. Und so organisierten die meisten ihren Wahlkampf im Internet, per Facebook und Twitter. Die lokalen Parlamente kümmern sich vor allem um Straßen, öffentliche Parks und die Müllabfuhr. Dagegen liegt die Hoheit über alle städtischen Budgets nach wie vor in der Hauptstadt Riad.

Schmunzelnd erinnert sich Lama al-Sulaiman noch an ihre ersten Jahre in der Handelskammer als einfaches Vorstandsmitglied. Damals 2005 habe ihr die Religionspolizei mitgeteilt, Männer und Frauen dürften wegen der Schariaregeln zur Geschlechtertrennung bei den Sitzungen nicht denselben Eingang benutzen. „Dann komme ich halt schon um neun Uhr morgens, eine Stunde vor den Männern“, habe sie geantwortet – und damit war den Sittenwächtern der fromme Wind aus den Segeln genommen. „Man muss beharrlich sein, vorsichtig und offene Konfrontationen vermeiden“, lautet das Rezept der Karrierefrau und Mutter von vier Kindern.

Schwerer Schicksalsschlag

Nach dem Abitur studierte sie Biochemie an der König-Abdulaziz-Universität in Jeddah. 1999 promovierte sie am King's College in London im Fach Lebensmittelwissenschaften. Als Geschäftsfrau leitet sie die Firma Rolaco Trading and Contracting, einen Konzern für Baumaterial, Baumaschinen und Hotelbedarf. Zudem engagiert sie sich ehrenamtlich im Gesundheitswesen. Mit 35 Jahren bekam sie Brustkrebs, ein schwerer Schicksalsschlag, der ihrem Leben eine Wende gab, auch wenn sie heute als geheilt gilt. Zusammen mit einer Freundin gründete sie eine Selbsthilfegruppe, um Betroffene aufzuklären und das Schweigen in Saudiarabien über Brustkrebs zu brechen. „Wir sollten weniger reden und mehr tun“, kommentierte sie damals ihre Initiative.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.12.2015)

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