Irmgard Griss, ehemalige OGH-Präsidentin, kommende Hofburg-Kandidatin und aktuell Schlichterin für Verbrauchergeschäfte, zeigt sich dennoch optimistisch und hält die Streitbeilegung abseits der Gerichte für einen „großen Gewinn für den Rechtsstaat“.
Wien. Am 9. Jänner tritt ein Gesetz in Kraft, mit dem die alternative Streitbeilegung EU-konform in Österreich verankert werden soll. Die europäischen Vorgaben zielen darauf ab, Verbrauchern einen einfachen und kostengünstigen Weg zur außergerichtlichen Beilegung von Auseinandersetzungen mit Unternehmen zu öffnen. Von Wirtschaftsseite wird das Gesetz als mangelhaft kritisiert; Irmgard Griss, ehemalige OGH-Präsidentin, kommende Hofburg-Kandidatin und aktuell Schlichterin für Verbrauchergeschäfte, zeigt sich dennoch optimistisch und hält die Streitbeilegung abseits der Gerichte für einen „großen Gewinn für den Rechtsstaat“.
Der Blick ins Gesetz sei ernüchternd, sagte Artur Schuschnigg von der rechtspolitischen Abteilung der Wirtschaftskammer Österreich vorige Woche bei einer Diskussionsveranstaltung der WKO. Er kritisierte Einseitigkeiten wie den Umstand, dass nur Verbraucher, nicht auch Unternehmen die Schlichtungsstellen anrufen können, und Unklarheiten: So seien die Informationspflichten für Unternehmen völlig unklar formuliert, sagte Schuschnigg. Tatsächlich blieb in der Diskussion offen, wann und unter welchen Voraussetzungen Unternehmen ihre Kunden auf die Möglichkeit hinweisen müssen, Schlichtungsstellen anzurufen. Das Gesetz nennt acht solche Stellen: jene der Energie-Control Austria, die Telekom- und die Post-Schlichtungsstelle, die Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte, die Bankenschlichtung, den Internet-Ombudsmann, die Ombudsstelle Fertighaus und – als Auffangschlichtungsstelle – die Schlichtung für Verbrauchergeschäfte.
Die Teilnahme an einer Schlichtung ist für beide Seiten grundsätzlich freiwillig; für Schuschnigg wird es an den Schlichtungsstellen liegen zu zeigen, dass sie gute Arbeit leisten. Griss berichtete von ihren Erfahrungen mit der Verbraucherschlichtung in zwei Pilotphasen von 2013 bis 2015. In der zweiten Phase habe, bei 360 Schlichtungsanträgen (davon 262 zum Thema Fremdwährungskredite), die Einigungsquote schon mehr als die Hälfte betragen, genau 51,6 Prozent. Auf die Frage aus dem Publikum, ob sie, Griss, im umstrittenen Gesetz die Ziele der alternativen Streitbeilegung gut abgebildet sehe, sagte sie: „Ich habe mich in meinem Leben von Gesetzen nie so einschränken lassen.“ Heißt hier: Die Regelungen seien flexibel genug, dass Verbraucher und Unternehmen Vorteile daraus ziehen könnten. (red.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.12.2015)