Lasst uns über das s im Adventkalender streiten

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Gefangen in der alljährlichen Endlosschleife der Dialoge rund um Weihnachten.

Tradition ist die Weitergabe des Feuers und nicht die Anbetung der Asche. Was im Fall des Weihnachtsbaums mittlerweile gar nicht mehr so einfach ist, schließlich haben schon viele Haushalte auf elektrische Kerzen umgestellt. Die Tradition des Christbaumbrandes wurde dadurch weitgehend verdrängt, der Aufschrei der Kulturbewahrer blieb jedoch aus. Macht ja nichts, es gibt schließlich noch viele andere Traditionen, die es zu bewahren gilt. Etwa die alljährliche Debatte, ob es nun Adventkalender oder Adventskalender heißt. Die wird zwar auch heuer nicht endgültig zu Ende, aber mit Sicherheit in der gleichen Intensität weitergeführt wie vergangenes Jahr, inklusive der Feststellung, dass es keine endgültige Lösung dafür gibt. Damit bleibt auch eine argumentatorische Hintertür dafür offen, die gleiche Debatte von null an erneut anzufachen. Am besten direkt vor dem Weihnachtbaum, von dem man sich das Fugen-s für die Diskussion ausgeborgt hat. Und das man sogar bis in die Osterzeit retten kann, wo sich alles um die Frage Schafkäse oder Schafskäse dreht.

Hat man sich in der Causa Adventkalender zum vorläufig finalen Let's-agree-to-disagree durchgerungen, bleibt als Thema noch die Aufarbeitung der Verwandtschaftsverhältnisse. Und der jährlich wiederkehrenden Debatte, ob denn nun die Töchter der Cousinen zueinander Großcousinen oder Cousinen zweiten Grades sind. Die, ganz unabhängig von der vorjährlichen Erörterung, erneut von null an gestartet wird. Und schließlich die alljährliche Debatte mit den Besuchern nach Weihnachten, ob denn nun Fisch, Fondue oder kalte Platte das einzig wahre Weihnachtsessen ist. Da könnte man doch gleich auch hitzig darüber streiten, wer der beste James Bond ist. L'art pour l'art, oder eher Palaver pour Palaver. Und apropos, die Redewendung „den Christbaum anzünden“ bitte mit Vorsicht anzuwenden.

E-Mails an:erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.12.2015)

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