Herr Schelling, hauen Sie endlich ordentlich auf den Ministerratstisch

Der IWF mahnt wieder einmal, wie seit vielen Jahren, Ausgabenreformen ein. Und die Regierung wird das wohl wieder, wie seit vielen Jahren, ignorieren.

Also: Österreich gibt für Gesundheit und Bildung deutlich mehr als vergleichbare Länder aus, ohne damit bessere Ergebnisse als die anderen zu erzielen – es hat also ein Problem mit effizientem Mitteleinsatz. Sagt der IWF. Sagen wir übrigens auch. Schon sehr lang. Und: Bei den Förderungen und Subventionen an Firmen und Haushalte könnte sehr viel eingespart werden, wenn es mehr Transparenz zwischen Bund, Ländern und Gemeinden zwecks Vermeidung von Parallel-, Doppel- und Dreifachförderungen gäbe. Sagt auch der IWF. Wir weisen übrigens auch schon sehr lang darauf hin, dass die in Österreich gelebte und von den Landeshauptleuten erbittert verteidigte Form des intransparenten Gamsbartföderalismus eine Geldvernichtungsmaschine allererster Güte ist.

Weiters: Die Pensionsaufwendungen ufern aus, weshalb es gescheit wäre, das Pensionsantrittsalter stärker an die steigende Lebenserwartung anzupassen, das Frauenpensionsalter deutlich schneller als geplant an das der Männer anzugleichen und die besonders generösen Teile des Pensionssystems anhand europäischer Best-Practice-Modelle zu adaptieren. Sagt auch der IWF. Unnötig anzumerken, dass uns die aus Washington eingeflogenen Kapazunder auch damit keine Neuigkeit erzählen.

Allerdings: Der IWF kann nichts dafür. Die jährlichen „Konsultationen“ laufen überall so ab, dass IWF-Experten einfallen, mit Regierungs- und Notenbankvertretern aktuelle Probleme besprechen, diese dann in ein gemeinsames Papier mit vielen „man könnte“, „man sollte“ und „man müsste“ gießen und wieder abzischen. Die Regierung pickt sich dann ein paar vorsorglich ins Papier eingestreute Rosen heraus (in diesem Fall bietet sich die Anmerkung, dass Österreich „Schritte in die richtige Richtung“ gesetzt habe, an) – und dann ist wieder für ein Jahr Ruhe.

Wie gesagt: Der IWF kann nichts dafür, dass diese Papiere seit vielen Jahren fast wortident die gleichen ungelösten Probleme auflisten. Manche dieser Probleme warten unterdessen schon so lang auf Lösungen, dass sie selbst unter den IWF-Vorgaben für das Antrittsalter schön langsam pensionsreif werden. Sehr wohl muss man aber die Regierung in die Pflicht nehmen. Einmal im Jahr in den IWF-Spiegel zu schauen und diesen dann mit der Bemerkung „Könnte besser aussehen“ wieder wegzulegen ist leider entschieden zu wenig.

Gefordert ist da vor allem der Finanzminister, der, wie man an seinen öffentlichen Aussagen ablesen kann, ja durchaus über entsprechendes Problembewusstsein verfügt. Er sollte vielleicht dazu übergehen, statt öffentlich Reformen einzumahnen lieber ordentlich auf den Ministerratstisch zu hauen und diese dort kategorisch einzufordern.


Das passt zwar nicht ganz in die hiesige Parteidisziplin-Unkultur, wäre aber ein echter Dienst an der Republik. Denn so rosig schaut es ja nicht aus. Der IWF empfiehlt beispielsweise, nach dem für 2016 angepeilten kleinen strukturellen Defizit ab 2017 so lang strukturelle Überschüsse anzupeilen, bis die Staatsschuldenquote von derzeit 86 Prozent des BIPs wieder auf die Maastricht-Grenze von 60 Prozent abgesunken ist. Genau genommen ist das ja auch eine Vorgabe des Eurostabilitätspakts.

Aber abgesehen davon, dass das strukturelle Nulldefizit für das kommende Jahr ohnehin längst beerdigt ist: Überschüsse? Das Wort kommt im Wörterbuch der österreichischen Wirtschaftspolitik ja gar nicht vor. Wer soll denn das dort buchstabieren oder gar umsetzen können? Ist das nicht klar als neoliberales Teufelszeug definiert?

Ganz nebenbei: Der IWF geht davon aus, dass der „Konjunkturschub“ von 0,25 BIP-Punkten durch die Flüchtlingskrise mit staatlichen Mehrausgaben (also zusätzlichen Schulden) von 0,3 Prozent des BIPs erkauft wird. Auch von dieser Seite wäre es vielleicht günstig, würde das Wort Ausgabenreform mehr als nur beifälliges Kopfnicken vor IWF-Experten auslösen. Also das mit dem Auf-den-Tisch-Hauen beim Ministerrat sollte sich der Finanzminister im Sinn der finanziellen Gesundheit der Republik wirklich ernsthaft überlegen.

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.12.2015)

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