Rothensteiner: „Brauchen kein Geld mehr vom Staat“

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
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Walter Rothensteiner, Chef der RZB, schließt weitere Staatshilfen aus. Mit der derzeitigen Kapitalausstattung könne man die nächsten zwei Jahre lang durchstehen.

Die Presse: In den USA zahlen zehn große Banken bereits milliardenschwere Staatshilfen zurück. In Österreich dürften hingegen neue Kapitalspritzen nötig werden. Was machen die US-Banken besser?

Walter Rothensteiner: Sie haben sich offensichtlich verrechnet und zu viel Kapital vom Staat geholt, das sie jetzt wieder zurückgeben. Zudem wurden die Bilanzierungsregeln geändert. Würden auch wir von IFRS („International Financial Reporting Standards“, die Firmen in schlechten Zeiten zu Abwertungen zwingen, Anm.) abgehen, könnten wir dem Staat sofort eine halbe Milliarde Euro zurückzahlen. Es kann mir ja niemand erzählen, dass die US-Banken innerhalb von drei Monaten um so viel besser wirtschaften.

In guten Zeiten haben Sie sich aber auch nicht über die Bilanzierungsregeln beschwert, die zu hohen Aufwertungen und damit zu hohen Gewinnen führten...

Rothensteiner: Wir haben wohl alle in der Illusion gelebt, dass es wirtschaftlich nur noch nach oben geht und deshalb hat wohl keiner so genau hingesehen.

Österreichs Banken dürften den Staat jedenfalls nicht um zu viel Geld gebeten haben. Laut internationalen Organisationen werden sie 2010 wieder Geld brauchen. Vor allem Institute, die stark im Osten engagiert sind, wie etwa Raiffeisen. Ist das so?

Rothensteiner: Ich war diese Woche bei sieben Veranstaltungen und überall waren andere Krisenszenarien zu hören. Niemand kann derzeit sagen, ob wir mit einem „Worst Case“ oder mit einem „Best Case“ zu rechnen haben. Und davon hängt schließlich alles ab.

In der Bilanz der Osttochter Raiffeisen International haben sich die Risikovorsorgen für faule Kredite im ersten Quartal auf 443 Mio. Euro fast verfünffacht. Das sieht eher nicht nach einem „Best Case“ aus.

Rothensteiner: Notleidende Kredite (Zahlungsverzug von drei Monaten, Anm.) sind noch keine Wertberichtigungen. Viele Kredite werden umzuschulden sein. Dabei werden sowohl die Kunden als auch wir Federn lassen, aber es wird zu machen sein. Weiters sind diese Kredite besichert – und der Wert der Sicherheiten ist deutlich höher als jener der notleidenden Kredite und der Wertberichtigungen.

Das könnte sich ändern, wenn sich die Krise als längerfristiges Phänomen entpuppen sollte.

Rothensteiner: Das ist die Kernfrage. Wenn es ab Mitte 2011 wieder langsam bergauf geht, werden die aktuellen Szenarien halten. Sollte die Krise aber bis 2012 anhalten, haben wir alle ein Problem. Das ist allerdings reine Spekulation. Meiner Einschätzung nach kommen wir für die nächsten zwei Jahre mit unserer Kapitalausstattung durch.

Sie schließen also aus, in den kommenden zwei Jahren den Staat neuerlich um Geld zu bitten?

Rothensteiner: Ja, das wird nach menschlichem Ermessen nicht notwendig sein. Wenn aber morgen fünf Großkunden ausfallen sollten und plötzlich einige Milliarden Euro abzuschreiben sind, sieht die Sache anders aus. Aber dieses Szenario sehe ich nicht.

Was wäre denn schlimm daran, den Staat neuerlich um Hilfe zu bitten?

Rothensteiner: Diese Hilfe ist verdammt teuer. Zudem haben wir davor den Staat nie gebraucht, das war für uns also ein unangenehmer Schritt.

Dabei ist Raiffeisen ja nicht gerade als Hochburg des Neoliberalismus bekannt.

Rothenstein: Wir wollen aber Herr im eigenen Haus und von niemanden abhängig sein. Wenngleich die jetzige Lösung mit dem Partizipationskaptial (der Staat hat Geld in Form von stimmrechtslosem Eigenkapital zur Verfügung gestellt, Anm.) eine akzeptable ist.

Neben dem Osten stehen auch in Österreich große Kreditausfälle erst bevor. Dabei hat die RZB in ihrem Heimmarkt schon im Vorjahr 595 Millionen Euro Verlust geschrieben.

Rothensteiner: Das ist aber nicht das Spiegelbild des Inlandsgeschäfts, in dieser Zahl ist unter anderem das Island-Thema abgebildet (Raiffeisen hat Veranlagungen rund 500 Mio. Euro abgeschrieben, Anm.). Wir werden heuer deutlich positiv wirtschaften. Auch wenn die notleidenden Kredite steigen, erwarten wir keine großen Ausfälle. Die schlimmsten Zahlen sind eher gegen Ende des Jahres bzw. für Anfang 2010 zu erwarten. Wir haben aber alle Szenarien durchgespielt. Bis dahin, dass sich die Lage weiter verschlimmern wird. Englische Verhältnisse, wonach der Staat alle Banken übernimmt, sehen wir jedenfalls weit und breit nicht.

Falls doch, würden Sie es uns vermutlich auch nicht sagen.

Rothensteiner: Sie können gern das Tonband ausschalten und ich würde Ihnen nichts anderes sagen.

Warum glauben dann europäische Rating-Agenturen wie Fitch, dass Österreichs Banken allein in Osteueropa Kredite in Höhe von 42 Milliarden Euro abschreiben müssen?

Rothensteiner: Derartige Schätzungen abzugeben ist ein beliebter Sport. Es werden ohne Gefahr Behauptungen aufgestellt, die niemand belegen kann. Wenn wir uns die Prognosen der vergangenen Monate ansehen, fällt jedenfalls eines auf: Sie haben nie gestimmt.

AUF EINEN BLICK

Walter Rothensteiner, Chef der Raiffeisen Zentralbank (RZB), schließt aus, dass die von ihm geführte Bank in den nächsten beiden Jahren neuerlich Geld vom Staat holen wird. Die RZB ist über die Tochter Raiffeisen International stark in Osteuropa engagiert. In Österreich verfügt die Bank ausschließlich über Firmenkunden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.06.2009)

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