Der Starökonom verabschiedete sich mit einem Vortrag über ein halbes Jahrhundert Wirtschaftsgeschichte von der LMU München - und erzählte, wie er für immer zur Marktwirtschaft bekehrt wurde.
Der 68-jährige Ökonom Hans-Werner Sinn verabschiedet sich langsam in den Ruhestand. Im Frühjahr 2016 übergibt er all seine Ämter an seinen Nachfolger Clemens Fuest, so auch den Lehrstuhl für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU). Schon jetzt, am Montagabend, hielt er eine Abschiedsvorlesung. Mehr als 800 Zuschauer, darunter Unternehmer und Journalisten, kamen, um den Vortrag zu hören – enttäuscht wurden sie nicht. Der wortgewandte Wissenschaftler gab 90 Minuten lang einen Rückblick über ein halbes Jahrhundert deutsche Wirtschaftsgeschichte, garniert mit Anekdoten aus seinem Leben.
"Ich möchte Ihnen heute einen Rückblick geben, denn nach vorne ist ziemlich viel Nebel", sagte Sinn zu Beginn. Und so erfuhren die Zuhörer unter anderem, dass Sinn einmal ziemlich linke Ansichten hatte. Als er als 20-Jähriger sein Studium begann, habe er an "die Allmacht des staatlichen Handelns“ geglaubt, zitiert das „Handelsblatt“ den Ökonomen. Er war sogar Mitglied des sozialdemokratischen Studentenbunds.
Doch als er nach Jugoslawien ging, um sich den sogenannten dritten Weg anzusehen, wurde er enttäuscht. Denn: „Die Planwirtschaft muss pekuniäre Anreize durch einen Kommissar ersetzen“, erklärte er am Montag. „Das führt immer zu einer Machtherrschaft. Wenn das einmal verstanden ist, dann rückt man nie mehr von der Marktwirtschaft ab“, zitiert „Focus.de“ den Ökonomen.
Kritik an hoher Staatsverschuldung
Dann sprach Sinn über die hohe Staatsverschuldung: Allein unter Kanzler Helmut Schmidt habe sich die Schuldenquote von 20 auf 40 Prozent verdoppelt. Als schließlich der Maastricht-Vertrag in Kraft trat, lag die Quote auch in Deutschland über den zulässigen 60 Prozent – und habe damit den Südländern die Tür in die Eurozone geöffnet. Für diese sah Sinn laut „Handelsblatt“ schwarz: „Man kann eine Volkswirtschaft durch Transfers nicht produktiv machen.“ Die niedrigen Zinsen und die hohen Löhne hätten die Länder schlicht Wettbewerbsfähigkeit gekostet. Südeuropa habe ein neoklassisches Problem falscher relativer Preise, resümierte er.
Am Ende gab es nach dem Rückblick dann doch noch einen kurzen Ausblick. Euro-Rettung, Flüchtlingskrise & Co.: Deutschland müsse große Herausforderungen meistern, die die Politik mitzuverantworten habe. Sinn fragte sich in Anlehnung an Angela Merkel: "Schaffen wir das?" - und gab sich selbst die Antwort. Jede einzelne Aufgabe sei vielleicht noch zu bewältigen. "Aber in der Summe glaube ich eher nicht." Denn es gäbe „kein Primat der Politik über ökonomische Gesetze“. Allerdings dauere es meist eine Weile, bis man das merke.
(sk)