Mindestsicherung: SPÖ bremst bei 1500 Euro

(c) Clemens Fabry
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Koalition will den Ländern bis 15. Jänner ein Reformkonzept vorlegen. Einigkeit herrscht über einheitliche Sanktionen und mehr Sachleistungen.

Wien. In der Koalition signalisiert die SPÖ nun Zustimmung zu Änderungen der Mindestsicherung. Einzige Ausnahme ist die Einführung einer generellen Obergrenze von 1500 Euro im Monat für Familien. Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) ist zwar bereit, auch darüber mit dem Koalitionspartner zu reden. Für ihn sei das aber heikel, er befürchtet, dass ein solches Limit vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben werden könnte.


• Zeitplan. Am Dienstagnachmittag kam es zur Aussprache Hundstorfers mit ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka und ÖVP-Sozialsprecher August Wöginger. Ergebnis: Der Sozialminister wird bis 15. Jänner den Ländern einen in der Koalition akkordierten Reformvorschlag vorlegen. Wichtigste Punkte sind dabei bundesweit einheitliche Neuregelungen vor allem auch bei Sanktionen ab 2017. Vereinbart wurde ein Beschluss im Parlament bis Mitte 2016, weil bei einer SPÖ-ÖVP-Einigung auch Beschlüsse in den neun Ländern notwendig sind.


Flüchtlinge. Hundstorfer bestätigte am Rand des Ministerrats, dass 2016 die Zahl der Mindestsicherungen wegen des Flüchtlingsandrangs steigen wird. Es werde 40.000 Menschen mehr mit Mindestsicherung geben, 2014 waren es 256.000. Der Hauptgrund: Asylberechtigte (Flüchtlinge mit Asylstatus) haben Anspruch auf das Sozialgeld. Vizekanzler und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner betonte, der Druck auf Reformen bei der Mindestsicherung erfolge auch mit Blick auf Asylberechtigte. Das Sozialgeld dürfe kein „Pullfaktor“ sein, mit dem Flüchtlinge nach Österreich angezogen werden.


Obergrenze. Für die ÖVP ist die Einführung eines Limits von 1500 Euro im Monat Teil einer notwendigen Reform der Mindestsicherung. Hauptgrund dafür: Familien mit mehreren Kindern würden sonst netto ein höheres Einkommen als Beschäftigte erhalten. Gleichzeitig sollen Änderungen auch Einsparungen angesichts der steigenden Zahl der Bezieher einer Mindestsicherung bringen. SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder hat kein Verständnis dafür, dass ausgerechnet bei Kindern gespart werden soll. Hundstorfer macht außerdem geltend, bei einer Deckelung gehe es lediglich um sieben Prozent der Kosten. Die Gesamtkosten der Mindestsicherung betrugen 2014 rund 673 Millionen Euro. Rechtlich bedenklich sei, dass bei einer Obergrenze in Familien, die Mindestsicherung beziehen, das dritte Kind schlechter als das zweite Kind gestellt werde. Offen zeigt sich der Sozialminister jedoch dafür, dass über eine Alternative zu einer Obergrenze nachgedacht werde. ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka hält dem entgegen, es gebe schon jetzt ab dem vierten Kind weniger Mindestsicherung.


Mehr Sach- statt Geldleistungen. Die ÖVP fordert verpflichtend, dass die Mindestsicherung je zur Hälfte Geld- und Sachleistungen (etwa für Essen, Energie, Wohnen) umfasst. Die SPÖ ist zu mehr Sachleistungen bereit, will aber keine Bons.


Sanktionen und Kontrollen. Gemeinsames Ziel sind bundesweit einheitliche Sanktionen. Die ÖVP tritt aber für härtere Strafen ein. Die Mindestsicherung soll verpflichtend um 25Prozent gekürzt werden, wenn eine arbeitsfähige Person nach einem Jahr keine Arbeit angenommen hat. Die SPÖ tritt für strengere Kontrollen gegen Missbrauch (Bundeskanzler Werner Faymann) und für Härte (Schieder) ein. Hundstorfer sieht ein Problem darin, dass teils Daten über erfolgte Sanktionen fehlen – ausgenommen Niederösterreich und Wien. Daher soll mit den Ländern das gesamte Datensystem verbessert werden. (ett)

AUF EINEN BLICK

Mindestsicherung. Bis Mitte Jänner 2016 soll den Ländern ein von SPÖ und ÖVP akkordiertes Reformkonzept für Änderungen der Mindestsicherung vorgelegt werden. Das wurde bei einer Aussprache im Sozialministerium vereinbart. Geplant sind mehr Sach- statt Geldleistungen, mehr Kontrollen; strittig ist eine 1500-Euro-Obergrenze.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.12.2015)

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