Türkei: "Kurdischem Volk wurde ein spezieller Krieg erklärt"

Polizisten verwenden Pfefferspray gegen Demonstranten.
Polizisten verwenden Pfefferspray gegen Demonstranten.APA/AFP/CAGDAS ERDOGAN
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Der Ausnahmezustand in kurdischen Gebieten im Südosten der Türkei hält an. Nationalistische Medien heizen die Stimmung an.

Straßenbarrikaden, brennende Autos, Panzer, eingestürzte Häuser, Demonstranten gegen Sicherheitskräfte - Tausende Menschen in der südosttürkischen Stadt Diyarbakir fliehen vor Kämpfen zwischen Sicherheitskräften und der kurdischen Arbeiterpartei PKK. Schon seit Monaten herrscht in den Kurdengebieten der Ausnahmezustand.

Am Montag schickte das türkische Bildungsministerium den Lehrern im Südosten eine SMS mit der Aufforderung, aus Sicherheitsgründen zuhause zu bleiben. Der Fernsehsender "BBC Türkiye" berichtete, dass rund 3.000 Lehrer daraufhin aus Angst die Region verlassen hätten. "Gegen das kurdische Volk wurde ein spezieller Krieg erklärt", sagte die Ko-Vorsitzende der prokurdischen Partei HDP, Figen Yüksekdag, am Dienstag bei einer Rede in Diyarbakir.

Auf einem Video, das die Nachrichtenagentur Dogan am Dienstag veröffentlichte, sind Schusswechsel zwischen der Jugendorganisation der PKK (YDG-H) und Sicherheitskräfte in dem Stadtteil Sur zu hören. Militärhubschrauber kreisen in der Luft. Mehr als 10.000 Bewohner hätten Sur verlassen, sagte ein Sprecher des Menschenrechtsvereins IHD in Diyarbakir.

Ausgangssperre und Hunderte Tote

Hunderte Menschen sind seit Juli ums Leben gekommen, seit sich die Kämpfe zwischen Sicherheitskräften und Mitgliedern der PKK wieder verschärft haben. Die Gewalt hat den ohnehin brüchigen Friedensprozess mit den Kurden abrupt beendet. So kamen am Dienstag laut der staatliche Nachrichtenagentur Anadolu vier Polizisten bei einem Anschlag auf einer Autobahn zwischen der Stadt Diyarbakir und dem Ort Silvan ums Leben. Der Angriff sei mutmaßlich durch kurdische Rebellen verübt worden, hieß es.

Seit Ende November gilt für das Viertel Sur eine Ausgangssperre. Damals wurde dort der prominente prokurdische Menschenrechtsanwalt Tahi Elci erschossen, als er gerade einen Aufruf zur Gewaltfreiheit verlas. Nach Angaben von Anrainern gibt es keinen Strom, und Lebensmittel werden knapp. Gleiches berichten türkische Medien aus den südosttürkischen Orten Nusaybin, Cizre und Silopi, wo ebenfalls Ausgangssperren gelten, und die Kämpfe weiter andauern,

"Einzige Möglichkeit ist Widerstand zu leisten"

Ein Ende der Unruhen ist nicht in Sicht. Nationalistische Medien heizen die Stimmung zusätzlich an. So veröffentlichte letzte Woche die türkische Tageszeitung "Takvim" auf ihrer Titelseite ein Foto des HDP Ko-Vorsitzenden Selahattin Demirtas, das ihn mit PKK-Kämpfern an einem Tisch sitzend zeigen soll. Auf dem Bild trägt Demirtas die für kurdische Kämpfer traditionelle Uniform, hinter ihm ist ein Maschinengewehr zu sehen. "Zu Besuch bei den Geschwistern" titelte dazu "Takvim". Die HDP dementierte die Echtheit des Bildes, und veröffentlichte das Original. Demzufolge wurde Demirtas nachträglich in das Foto hineinmontiert.

HDP-Politikern Figen Yüksekdag forderte am Dienstag die Menschen in den eingeschlossenen Gebieten auf, zu bleiben. "Unsere einzige Möglichkeit ist es, Widerstand zu leisten", sagte Yüksekdag.

(APA)

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