YLine: Prozessende nach 14 Jahren

PROZESS WEGEN UNTREUE UM INTERNET-PLATTFORM YLINE: B�HM
PROZESS WEGEN UNTREUE UM INTERNET-PLATTFORM YLINE: B�HM(c) APA/HERBERT NEUBAUER
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Er ist das viel zitierte Musterbeispiel für völlig ausufernde Verfahrensdauer: Nun endete der YLine-Prozess mit Freisprüchen.

Wien. Es war das Jahr 1998, die Frühzeit des Internet war zwar vorbei, aber noch herrschte die der New Economy eigene Euphorie. Die IT-Branche galt als unternehmerischer Tummelplatz. In Österreich wurde die Internetfirma YLine, eine Aktiengesellschaft, gegründet. Drei Jahre später schlug deren Goldgräber- in eine handfeste Katerstimmung um: YLine ging pleite. Die Begleitumstände waren unschön. Von Betrug und Untreue war die Rede. Und dann dauerte es unfassbare zwölf Jahre, ehe die Korruptionsstaatsanwaltschaft nach schleppender Vorarbeit der Staatsanwaltschaft Wien eine Anklage zusammenbrachte.

Am Donnerstag, 14 Jahre nach der Pleite, ergingen im Straflandesgericht Wien die Urteile: Freisprüche. Sechs Personen waren vor Gericht gestanden. Bei keinem Einzigen reichte es für eine Verurteilung. Außer dem Firmengründer Werner Böhm standen fünf Exmitglieder des YLine-Managements bzw. des -Aufsichtsrats vor Gericht. Kein einziger Anklagepunkt (Betrug, Untreue, Insiderhandel, Bilanzfälschung) hielt der gerichtlichen Prüfung stand. Böhm bekam lediglich in Sachen Bilanzfälschung eine Geldbuße von 7000 Euro. Diese kann aber per Diversion abgetan werden. Rechtskräftig sind die Urteile wohlgemerkt noch nicht. Die Anklagebehörde hat sich nämlich drei Tage Bedenkzeit erbeten. Im Klartext: Wenn der Staatsanwalt sich nun für ein Rechtsmittel entscheidet, wandert der Fall in die nächste Instanz. Und aus den 14 Jahren Verfahrensdauer werden vielleicht 15, 16 oder 17 Jahre . . .

„Was lange währt . . .“

„Was lange währt, wird endlich gut.“ Auch Richterin Marion Hohenecker konnte sich angesichts der heillos überzogenen Verfahrensdauer diese volkstümliche Weisheit nicht verkneifen. Laut Hohenecker seien dem Unternehmen zwar Fehler passiert, aber diese seien im Zuge des normalen Wirtschaftens mit unternehmerischem Risiko zu rechtfertigen. Es liege hier ein Grenzfall zwischen diesem Risiko und Verfehlungen vor, so die Richterin nach nicht weniger als 44 Verhandlungstagen.

YLine war ursprünglich angetreten, um als Internet-Provider den Markt zu erobern. Kunden, die einen Vertrag abschlossen, sollten einen PC nahezu geschenkt bekommen. 30.000 IBM-Computer wurden dafür angekauft. Doch das Ganze ging schief, was folgte war die Zahlungsunfähigkeit der FPÖ-nahen Firma. Diese war übrigens auch deshalb bekannt geworden, da eine Tochterfirma von ihr die umstrittene Homepage des damaligen Finanzministers, Karl-Heinz Grasser, erstellte, jene Homepage, die von der Industriellenvereinigung bezahlt wurde.

Weiters hatte sich YLine auch mit einer Online-Peep-Show versucht, deren Firmenwert überzogen bewertet worden sein soll. Die strippenden Damen sollen übrigens ihr Geld nie gesehen haben.

Firmengründer Böhm sagte nun nach der Urteilsverkündung, er wolle die Causa abhaken. Er habe erhebliche finanzielle Einbußen erlitten: „Finanziell ist es mir schlecht gegangen.“ Er ist mittlerweile beruflich in Kanada aktiv, sein Monatseinkommen gab er mit gut 3000 Euro brutto an.

Böhms Anwalt, Oliver Scherbaum, sagte der „Presse“: „Nach 14 Jahren Verfahren gibt es keinen Gewinner oder Verlierer. Es war aber für meinen Mandanten bestimmt nicht leicht, als Betrüger abgestempelt zu werden.“ Letztlich gelte aber: „Ende gut, alles gut.“

Zuvor hatte ein anderes Mitglied der Verteidiger-Riege, Michael Dohr, noch darauf hingewiesen, dass es zwei unterschiedliche Gerichtsgutachten gegeben habe. Dies habe die Sache noch komplizierter gemacht. Dohr, der gern „gewagte“, weil doch sehr farbenfrohe Anzüge trägt, hatte für den letzten Verhandlungstag eine besondere Jacke gewählt, eine mit dem Schriftzug „Freedom“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.12.2015)

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