Konrad Lorenz verliert seine Ehrendoktorwürde

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Die Uni Salzburg entzieht dem Verhaltensforscher die vor 22 Jahren verliehene Ehre: wegen pro-nationalsozialistischer Aktivitäten.

Es war ein „Presse“-Mitarbeiter, der zum ersten Mal den „Gauakt“ von Konrad Lorenz bekannt machte: Benedikt Föger berichtete 2001 über dieses im Österreichischen Staatsarchiv liegende Dokument; es enthält einen Fragebogen, den der Biologe 1938 ausfüllte, als er um eine vorläufige NSDAP-Mitgliedskarte ansuchte. Darin beschrieb der Mittdreißiger seine bisherigen Verdienste um den Nationalsozialismus: „Ich war als Deutschdenkender und Naturwissenschaftler selbstverständlich immer Nationalsozialist.“ Schon lang vor dem Anschluss habe er sehr erfolgreich für den Nationalsozialismus geworben, seine „wissenschaftliche Lebensarbeit“ stehe „im Dienste nationalsozialistischen Denkens“.

Dieses Dokument ist ein wesentlicher Grund für die am Donnerstag bekannt gegebene Entscheidung der Universität Salzburg: die Aberkennung der 1983 verliehenen Ehrendoktorwürde für den berühmten österreichischen Biologen. Freilich dürfte der Wiener Biologe seine nationalsozialistische Betätigung in dieser Selbstbeschreibung übertrieben haben. Dennoch, so die Uni: „Im Kontext“ mache sie „mindestens das Bemühen um eine wirksame Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts deutlich“.

Warum diese späte Erkenntnis? Vor einem Jahr hat die Uni Salzburg begonnen, ihre vergangene Ehrungspraxis gründlich zu durchleuchten, es ist nicht die einzige Aberkennung; 2016 soll der Prozess abgeschlossen sein.

Die „Verhausschweinung“

Lorenz mochte den österreichischen Ständestaat nicht, ein politisch aktiver Nationalsozialist war er freilich auch nicht. Eher ein Opportunist, dessen darwinistisch geprägte Überzeugung vom genetischen Verfall des zivilisierten Menschen gut in die NS-Ideologie passte. Lorenz schrieb über die „Verhausschweinung“ des Menschen, der durch den Wegfall natürlicher Selektion immer mehr degeneriere, er schrieb von „Krebsgeschwulsten“ im „Volkskörper“ und der nötigen „Ausmerzung“ kranker Erbelemente. Und machte nicht zuletzt auf diese Weise Karriere. 1940 wurde er Professor an der Universität Königsberg.

Später wurde er eingezogen, nach seiner Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft dann in Österreich als im öffentlichen Dienst Tätiger auf seine NS-Vergangenheit geprüft – und für harmlos befunden. Einen „sowohl in moralischer als auch staatsbürgerlicher Hinsicht“ guten Leumund bescheinigte man ihm. Eine Mitgliedskarte, hieß es, sei ihm trotz Antrags nie ausgehändigt worden, so könne „von einer rechtswirksamen Aufnahme in die NSDAP nicht gesprochen werden“.

Lorenz' Nähe zum Nationalsozialismus schadete ihm in den Nachkriegsjahrzehnten nicht. Er wurde zu einem gefeierten Vater der vergleichenden Verhaltensforschung und in der Öffentlichkeit zum „Vater der Graugänse“, 1973 erhielt er mit zwei anderen für die „Ethologische Theorie“ (zur Rolle der Evolution bei tierischem und menschlichem Verhalten) den Nobelpreis. Außerdem war er als pessimistischer Kulturphilosoph viel gehört. Zwar wurde seine Vorgangsweise, Phänomene aus der Tierwelt ohne empirische Beweise auf menschliche Handlungen zu übertragen, auch kritisiert, aber Bücher wie „Das sogenannte Böse“ oder „Die acht Todsünden der zivilisierten Menschheit“ waren Bestseller. Seine Ansichten über genetische Degeneration als Menschheitsgefährdung behielt er ein Leben lang. Dass er freilich seine Ideen in den 1940er-Jahren in die „uns heute mit Recht verhasste Sprache des Nazi-Regimes“ verpackt hatte, bereute er in den Siebzigerjahren öffentlich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.12.2015)

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