Travnicek: "Aufschrauben, reinschauen"

Cornelia Travnicek
Cornelia Travnicek(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Cornelia Travnicek treibt die Neugier am Innenleben: bei Backrohren, chinesischen Papierschirmchen – und ihren Romanfiguren.

Die pittoresk eingerichtete Simply Raw Bakery in der Drahtgasse: Cornelia Travnicek hat sie vorgeschlagen. Nicht, weil sie sich von Rohkost ernähren würde. Aber weil das Café praktisch an der U3 liegt, und damit irgendwo zwischen ihrem Arbeitsplatz auf der Donauplatte und dem Westbahnhof, über den sie heim aufs Land pendelt. Cornelia Travnicek kommt im Mumins-Kleid (damit es nicht zu mädchenhaft wird, haben ihre Strümpfe Löcher). Sie mag die Mumins, die nilpferdähnlichen finnischen Trolle. Von ihnen habe sie vor geschätzt 20 Jahren das Wort Sarkasmus gelernt, das sei dort vorgekommen, komplett mit Erklärung.

Damals, erzählt Travnicek, habe sie freilich nur Hörkassetten gehabt. „Ich habe gar nicht gewusst, wie die Mumins ausschauen. Er funktioniert auch so.“ Aus ganz ähnlichen Gründen hat es für sie funktioniert, dass ihr Roman „Chucks“ heuer im Herbst als Film in die Kinos kam. „Viele haben ja sehr visuelle, ganz genaue Vorstellungen von ihren Figuren. Das ist bei mir weniger so. Ich hab den Charakter, mehr das Innere der Figur im Kopf. Ein Bündel an Charakterzügen, Eigenschaften, Handlungen. Das, was die Figur ausmacht – und weniger das Aussehen.“ Anna Posch als Darstellerin der rebellischen, pubertierenden Romanheldin sei großartig gewesen. „Wenn ich jetzt im Nachhinein an meine Hauptfigur denke, sehe ich sie.“

Sechs oder sieben Jahre hat der „Chucks“-Stoff die 28-Jährige mittlerweile begleitet. Inzwischen ist sie froh, dass sie seit ein paar Wochen auf ihren Lesungen Neues lesen kann. In „Junge Hunde“ erzählt sie nun von zwei jungen Erwachsenen, die ihre Wurzeln erforschen. Mit einem frühen Teil dieser Geschichte hat Travnicek 2012 beim Bachmann-Wettbewerb den Publikumspreis gewonnen. Dass sie als Jugendliche oft an Textwerkstätten teilgenommen hat, sei da eine gute Vorbereitung gewesen. „Wir waren teilweise in der Kritik zueinander sehr viel härter als diese Jury.“

„Immerhin schon fast 15 Jahre“ ist sie im Literaturbetrieb, hat früh angefangen, in lokalen Literaturzeitschriften zu veröffentlichen, bei Wettbewerben mitzumachen, Kurzgeschichtenbände veröffentlicht. Mit elf hatte sie die Kinder- und Jugendabteilung der Stadtbücherei Traismauer durchgehabt, war mit zwölf auf Belletristik umgestiegen. „Ich hab mir bald gedacht, ich will das auch können. Ich war beeindruckt, was man mit Worten im Kopf eines anderen Menschen machen kann.“

Mit ihrem zweiten Roman hat sie sich bewusst Zeit gelassen; daneben – „mit einem EU-Studienabschlussstipendium, das muss man dazusagen“ – ihr Sinologiestudium beendet. In ihrem Job hat sie dafür zuletzt acht Monate Karenz eingelegt. Travnicek, HTL-Absolventin mit Bachelor in Informatik, arbeitet Teilzeit in einer Firma für Computergrafikforschung. Als Science-Fiction- und Roboterfan wollte sie eigentlich Computational Science studieren. „Bei der Immatrikulation hieß es dann, das ist aus. Es gab das Studium nicht mehr. Also hab ich gefragt, was es sonst gibt, weil ich mich nicht noch einmal anstellen wollte. Das war“, kichert sie, „ein bissl wie an der Wursttheke.“ Auch im Alltag hat sie keine Scheu, „irgendwas aufzuschrauben, reinzuschauen den Lötkolben dranzuhalten. Letztens war unser Backofen kaputt, den hab ich auch selber repariert.“

Zweifel am eigenen Expertentum

Die Wahl des Sprachstudiums („ich wollte auch etwas Kulturelles, weltpolitisch Ausgerichtetes“) fiel ähnlich. „Mir sind viele kleine Dinge eingefallen, die mich als Kind schon an China fasziniert haben. Kung-Fu-Filme. Die, wo sie am schlimmsten herumfliegen, sind die allerbesten: Wo man genau sieht, dass sie an Saltogurten hängen.“ Und auch Chinaschirmchen (die auf dem Eisbecher) habe sie schon als Kind auseinandergenommen, „und da sieht man eben chinesisches Zeitungspapier drinnen. Ich hab diese Zeichen angeschaut und war fasziniert“.

Trotzdem hat sie gezögert, China schreiberisch zu verwerten, „weil ich mich nicht als Expertin aufspielen möchte“. In „Junge Hunde“ kommt das Land dennoch vor – aus der Sicht von jemandem, der dort ähnlich fremd ist wie sie. „Das ist ein Blick, den ich nachempfinden kann. Alles andere wäre ja anmaßend gewesen.“ Auch etwas, das ihre Generation charakterisiert, glaubt sie: das Zweifeln am eigenen Expertentum. Weil man weiß, wer früher schon falsch gelegen ist. „Deshalb ist, glaub' ich, die Ironie gerade so groß: Ironisch kann man sehr viel behaupten und später immer sagen, das war eh nicht ernst gemeint.“

ZUR PERSON

Cornelia Travnicek wurde 1987 in St. Pölten geboren. Sie hat Sinologie und Informatik studiert und arbeitet Teilzeit als Researcher in einem Zentrum für Virtual Reality und Visualisierung. Ihre literarische Arbeit wurde vielfach ausgezeichnet, ihr Debütroman „Chucks“ wurde verfilmt. Im Sommer erschien ihr Gedichtband „mindestens einen der weißen wale“, im Oktober der Roman „Junge Hunde“. Mit einem Auszug daraus hatte sie 2012 den Publikumspreis beim Bachmannwettbewerb gewonnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.12.2015)

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