Iran: Chronologie der Proteste

Im Iran toben seit der umstrittenen Wiederwahl von Präsident Mahmoud Ahmadinejad die größten Unruhen seit der Revolution von 1979. Die wichtigsten Entwicklungen seit der Abstimmung vom 12. Juni in chronologischer Reihenfolge.

Freitag, 12. Juni 2009: Zur Präsidentschaftswahl stellen sich Amtsinhaber Mahmoud Ahmadinejad, als aussichtsreichster Reformkandidat Mir-Hossein Moussavi sowie zwei weitere Bewerber. Die hohe Beteiligung (85 Prozent) nährt Erwartungen, dass die Opposition gut abschneidet.

Samstag, 13. Juni: Ahmadinejad wird mit überwältigender Mehrheit von über 62 Prozent zum Sieger erklärt. Die Schnelligkeit der Auszählung von rund 40 Millionen Stimmzetteln weckt Verdacht. Moussavi, der offiziell 33,75 Prozent erhält, spricht von Wahlfälschung. Tausende Demonstranten gehen auf die Straße, es kommt zu Zusammenstößen mit der Polizei. Der geistliche Führer Ayatollah Ali Khamenei ruft die Bürger auf, sich einig hinter Ahmadinejad zu stellen. Die Polizei stürmt die Zentrale der größten Reformpartei.

Sonntag, 14. Juni: Ahmadinejad beteuert, die Wahl sei fair verlaufen, und tut den Protest als "nicht wichtig" ab. Die Behörden werfen ausländischen Medien vor, die Spannungen zu schüren. Tausende Demonstranten rufen von Hausdächern herab "Tod dem Diktator". Khamenei weist den Wächterrat an, Betrugsvorwürfen nachzugehen, folgt aber nicht dem Ruf nach Neuwahl. Die Regierung lässt Internet-Seiten noch stärker filtern und blockiert weiterhin den Versand von SMS.

Montag, 15. Juni: Hunderttausende ziehen protestierend durch Teheran. Milizionäre feuern auf eine Gruppe, die ihr Gebäude stürmen will. Staatliche Medien berichten später von sieben Toten bei Zusammenstößen an diesem Tag. Kleinere Demonstrationen werden auch aus anderen Städten gemeldet.

Dienstag, 16. Juni: Die Medien dürfen nicht mehr von der Straße berichten. Einige ausländische Journalisten müssen ausreisen, weil ihre Visa nicht verlängert werden. Ahmadinejad reist nach Russland und bekräftigt den Anspruch auf das Präsidentenamt. In Teheran versammeln sich Tausende seiner Getreuen zu einer Kundgebung. Später zieht Augenzeugen zufolge ein kilometerlanger Demonstrationszug von Moussavi-Anhängern durch die Stadt.

Mittwoch, 17. Juni: Die Proteste dauern an. Menschenrechtsorganisationen berichten, dass mehrere prominente Aktivisten und Politiker festgenommen worden seien.

Donnerstag, 18. Juni: Tausende Menschen kommen zu einer Trauerkundgebung für die getöteten Demonstranten. Mit Versammlungsbeginn fällt das Mobilfunknetz in der Hauptstadt aus. Der Wächterrat fordert Moussavi und die beiden anderen Oppositionskandidaten auf, ihre Beschwerden bei einem Treffen am Samstag vorzubringen.

Freitag, 19. Juni: Beim Freitagsgebet weist Khamenei den Vorwurf des Wahlbetrugs erneut zurück und bescheinigt Ahmadinejad einen "klaren Sieg". Den Demonstranten droht er, sie würden für das Chaos zur Verantwortung gezogen.

Samstag, 20. Juni: Der Machtkampf eskaliert weiter. Polizei und Milizen gehen mit Wasserwerfern, Tränengas und Schlagstöcken gegen Tausende Demonstranten vor. Rufe "Tod der Diktatur" und "Tod dem Diktator" werden laut. Das Staatsfernsehen berichtet von einem Selbstmordanschlag am Imam-Khomeini-Mausoleum mit einem Toten und zwei Verletzten. Moussavi beharrt darauf, dass die Wahl annulliert werden müsse. Der Wächterrat sagt zu, stichprobenartig zehn Prozent der Urnen zu überprüfen.

Sonntag, 21. Juni: Die Situation spitzt sich zu. Das Staatsfernsehen meldet mindestens zehn Tote und 100 Verletzte am Vortag und bezeichnet die Demonstranten als "Terrorgruppen" und "Randalierer". Die Tochter von Ex-Präsident Rafsanjani, Faezeh Hashemi, und vier weitere Angehörige werden vorübergehend festgenommen. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel wie auch US-Präsident Barack Obama dringen auf ein Ende der Gewalt und auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit.

Montag, 22. Juni: Im Internet gehen Bilder einer jungen Frau um die Welt, die bei den Demonstrationen am Samstag erschossen wurde. Die 27-jährige Studentin Neda Agha Soltan wird zur Ikone der Protestbewegung. Wieder geht die Bereitschaftspolizei mit Tränengas und Warnschüssen gegen Demonstranten vor; die Revolutionsgarden drohen, weitere Proteste niederzuschlagen. Der Wächterrat räumt Unregelmäßigkeiten bei der Wahl ein, die aber nichts am Ergebnis änderten. Großbritannien kündigt an, die Familien seiner Diplomaten nach Hause zu holen. Die deutsche Regierung zitiert zum zweiten Mal den iranischen Botschafter ins Außenministerium und widerspricht dem Vorwurf der Einmischung.

Dienstag, 23. Juni: Der Wächterrat lehnt eine Annullierung der Wahl ab und kündigt Sondertribunale zur Aburteilung von Demonstranten an. Ein massives Aufgebot von Sicherheitskräften in Teheran verhindert größere Proteste. Zwei britische Diplomaten werden unter Spionagevorwürfen ausgewiesen. Die EU verurteilt die "brutale Gewalt" gegen Demonstranten; auch Obama verschärft seinen Ton. Unterstützung erhält das Regime nur aus Russland, das Streitigkeiten zur "rein inneriranischen Sache" erklärt.

Mittwoch, 24. Juni: Die iranische Führung bleibt hart. "Weder das System noch das Volk werden dem Druck nachgeben, um keinen Preis", betont Khamenei. Demonstranten trotzen dem Versammlungsverbot, Augenzeugen berichten am Abend von neuen Zusammenstößen. Moussavis Frau Sahra Rahnaward fordert die Freilassung aller Festgenommenen und fordert die Staatsmacht auf, die Demonstranten nicht zu behandeln, "als ob das Kriegsrecht verhängt worden wäre". Einer der unterlegenen Kandidaten, Mohsen Rezaie, zieht seinen Einspruch gegen die Wahl zurück.

(APA)

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