Der große Coup der griechischen Privatisierungskassa

A woman waits to cross the street next to former international Hellenikon airport in Athens, Greece
A woman waits to cross the street next to former international Hellenikon airport in Athens, Greece(c) REUTERS (ALKIS KONSTANTINIDIS)
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Mit dem Verkauf der Flughäfen ist die griechische Privatisierung flott gestartet.

Athen. Es ist vollbracht: Mehr als ein Jahr nach der Grundsatzentscheidung der griechischen Regierung, 14 Regionalflughäfen für 40 Jahre an ein Konsortium unter Führung der deutschen Fraport zu verpachten, wurde diese Woche der Vergabevertrag unterschrieben. Im Lauf des Jahres 2016 wird eine Einmalzahlung der Käufer von 1,2 Milliarden Euro fällig, in den folgenden vier Jahrzehnten sollen sich die staatlichen Einnahmen auf insgesamt zehn Mrd. Euro erhöhen.

Das ist nicht nur der größte Coup der auf Druck der internationalen Gläubiger Griechenlands im Jahr 2011 gegründeten griechischen Privatisierungskassa – es ist vor allem, pünktlich zum Jahresende, ein verheißungsvoller Schlusspunkt unter ein mehr als stürmisches Jahr mit der Linksregierung von Premier Alexis Tsipras.

Die Unterschrift der deutschen Flughafenbetreiber unter den Vertrag kommt einem Signal an andere Investoren aller Größenordnung gleich, dass Griechenland wieder eine Reise wert ist. Und tatsächlich wird es in den nächsten Monaten einige interessante Projekte für langfristige Anlagen geben. Am Programm stehen die Privatisierung des Hafens von Piräus und des Hafens von Thessaloniki, der Abschluss der Privatisierung des griechischen Erdgasoperators und die Privatisierung der griechischen Bahn. Glaubt man dem Chef der Privatisierungsbehörde, dann ist das Interesse groß: Für Piräus gibt es drei Interessenten, in Thessaloniki, in früheren Jahrhunderten das große Tor zum Balkan, sollen es sogar acht sein.

Versöhnlicher Abschluss

Für ein Jahr, in dem der Rausschmiss Griechenlands aus der Eurozone und der Zusammenbruch des griechischen Bankensystems mehr als wahrscheinlich schienen, ist das ein mehr als ein Lichtblick. Ein Ende, das nach dem Wahlsieg des Radikalen Linksbündnisses Syriza von Tsipras Ende Jänner 2015 kaum realistisch zu sein schien. Mit Kopfschütteln erinnert man sich noch an die Hochstimmung der Syriza-Minister bei Amtsantritt, als sie im Eiltempo sämtliche Privatisierungen rückgängig machen und dazu noch die Privatisierungskassa auflösen wollten. Erst nach und nach erinnerten sich die Linkspolitiker an ihre vertraglichen Verpflichtungen und traten nach der Einigung mit den Gläubigern im Juli den ungeordneten Rücktritt an. Widersprüchlich ist die Haltung der Linkspolitiker aber immer noch: Als der zuständige Staatssekretär für Infrastruktur, Christos Spirtzis, im Parlament erklärte, er sei gegen den Vertrag zur Vergabe der 14 Regionalflughäfen, unterschreibe ihn aber auf Druck der Gläubiger „unter Schmerzen“, da landete er bei der Opposition einen Lacherfolg.

Dass die Einmalzahlung von 1,2 Mrd. Euro eine satte Summe ist, das gibt sogar Spirtzis zu – das zweitgereihte Konsortium hatte 500 Mio. Euro weniger geboten. Er stößt sich aber am Vergabemodell: Er wünscht sich ein Joint-Venture unter Beteiligung von Staat und Lokalverwaltung. Der Staatssekretär kritisiert aber auch die Auswahl der vierzehn Flughäfen. Normalerweise vergebe man eine ertragreiche Destination gemeinsam mit kleineren, defizitären Flughäfen, um auch deren Überleben zu sichern. Im Fall der griechischen Flughäfen handelt es sich jedoch um Zielorte, die für jeden Investor potenziell eine Goldquelle sind: Unter den Flughäfen finden sich die Traumdestinationen wie Mykonos, Santorini, Rhodos, Chania, Kos und Korfu. 2014 hatten die 14 Flughäfen 23 Mio. Passagiere, 2015 könnten es mehr als 25 Millionen sein.

Doch wenn die Gegner des Projekts davon sprechen, dass der Staat eine wertvolle Einnahmequelle verliert, dann wollen sie die Realität nicht sehen: Die meisten Flughäfen sind in einem erbärmlichen Zustand, die Infrastruktur für den Passagieransturm der Sommermonate nicht geeignet – stundenlange Wartezeiten bei der Gepäcksaufgabe und traurige sanitäre Einrichtungen sind die Folge.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.12.2015)

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