Das Ende der jährlichen Steuererhöhung naht

Steuer bezahlt, Stempel
Steuer bezahlt, Stempel(c) BilderBox (BilderBox / Erwin Wodicka)
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Kalte Progression: Ein Vorschlag zur Neuregelung liegt auf dem Tisch.

Wien. Lang können wir der Regierung für die Steuerreform nicht dankbar sein – wenn wir es denn neben den zusätzlichen Belastungen überhaupt sein wollen: Denn die Neuordnung der Tarifstufen ab 1. Jänner 2016 bringt nur eine temporäre Entlastung von durchschnittlich 1000Euro netto pro Jahr. Durch die Nichtanpassung der Steuerstufen an die Inflation (kalte Progression) würde aus der Entlastung ab 2018 schon wieder eine Belastung werden.

Doch es leuchtet ein Licht am Ende des Steuerlochs: Dieser Tage stellte das Finanzministerium nämlich das Expertenpapier fertig, mit dem die kalte Progression in Österreich beendet werden soll. Das Papier ist Grundlage für die Diskussionen zwischen SPÖ und ÖVP, die im kommenden Jahr in einen Gesetzesvorschlag münden sollen. 2018, wenn die kalte Progression wieder zuschlüge, soll das Gesetz in Kraft treten.

Welche Vorschläge das Papier im Detail erhält, darüber hat man in der Regierung Stillschweigen vereinbart. Die Koalition hat aus den Verhandlungen über die Steuerreform gelernt, als jede Partei öffentlich ihre Forderungen präsentiert hat und die Medien anschließend genussvoll berichtet haben, wer bei welchen Punkten umgefallen ist. Diesmal steckt man die Positionen nicht vor aller Augen ab.

Drei mögliche Modelle

Klar ist, dass das Papier drei Varianten enthält, wie man die jährlich schleichende Steuererhöhung nachhaltig abschaffen kann. Eine Idee lautet, die Steuerstufen jedes Jahr automatisch nach dem Verbraucherpreisindex anzupassen. Damit würde eine Anpassung des Gehalts an die Inflation nicht mehr unweigerlich in eine höhere Steuerstufe führen.

Um sich mehr Spielraum zu geben, könnte in einer zweiten Variante die Regierung jährlich einen Vorschlag zur Anpassung machen, der dann vom Parlament beschlossen werden muss. Noch mehr Flexibilität bietet ein drittes Modell, laut dem es nur eine Überprüfung, aber keine bindende Regel für eine Anpassung der Steuerstufen gibt. Damit hat der Staat die Möglichkeit einer Anpassung je nach Budgetsituation. Großbritannien verwendet dieses System und hat in den vergangenen Jahren zum Teil keine Anpassung vorgenommen.

Die Steuerreform, die ab Jänner neue Tarife bringt, lässt die Lohnsteuereinnahmen von 27 Milliarden Euro heuer auf 24,8 Milliarden Euro 2016 schrumpfen. Nach und nach steigen die Einnahmen, bis sie im Jahr 2018 wieder 27,4 Milliarden Euro betragen. Ohne Gegenmaßnahmen würde der Staat 2019 vor allem dank der kalten Progression (ein weiterer Grund ist der Zuwachs bei der Beschäftigung) schon 29,2 Milliarden Euro einnehmen.

Aktuell passen 18 von 30 OECD-Staaten den Einkommensteuertarif an die Preis- bzw. Inflationsentwicklung an. Das Finanzressort muss allein im ersten Jahr nach Abschaffung der kalten Progression auf 400 Millionen Euro an Einnahmen verzichten (kumuliert sich in den Folgejahren).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.12.2015)

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