Türkei: Mehr als 100 Tote bei Militäreinsatz

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Diei türkische Armee startet eine Großoffensive in den Kurdengebieten. Präsident Erdoğan, zeigte sich zuletzt entschlossen, die PKK zu „vernichten“.

Istanbul. Der Konflikt zwischen der türkischen Regierung und kurdischen Aufständischen ist weiter eskaliert. Bei der jüngsten Großoffensive des türkischen Militärs gegen die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) sind innerhalb weniger Tage mehr als 100 Menschen getötet worden. Wie am Sonntag aus Kreisen der Sicherheitskräfte hieß, starben seit Mittwoch 102 PKK-Kämpfer. Zudem seien mindestens zwei Soldaten und fünf Zivilisten ums Leben gekommen. Kurdische Aktivisten sprechen jedoch davon, dass die Zahl der getöteten Zivilisten weitaus höher sei.

An dem Einsatz sind rund 10.000 Mitglieder des Militärs sowie Spezialkräfte der Polizei beteiligt. Er konzentriert sich auf die Städte Cizre und Silopi in der Provinz Şirnak im Grenzgebiet zu Syrien und zum Irak. In der Kurdenregion gelten derzeit Ausgangssperren, in manchen Gegenden herrschen kriegsähnliche Zustände. Bei der Operation setzt die Armee auch Panzer ein. In mehreren Städten, in denen es Proteste und Aufstände gegen die Regierung gibt, toben Gefechte.

Der türkische Präsident, Recep Tayyip Erdoğan, zeigte sich zuletzt entschlossen, die PKK zu „vernichten“. Sein Regierungschef, Ahmet Davutoğlu, äußerte sich am Wochenende ähnlich und warnte vor einem Bürgerkrieg in der Region. Der Militäreinsatz werde so lang dauern, bis die betroffenen Städte „gesäubert“ seien.

„Erdoğans AKP ist wie IS“

Der Einsatz wird von Teilen der türkischen Opposition und der Zivilgesellschaft kritisiert. Die Menschenrechtsorganisation IHD, in der viele Kurden aktiv sind, bezeichnete die „systematische Anwendung von Ausgangssperren“ als eine „inakzeptable Kollektivstrafe“.

Der Vorsitzende der prokurdischen Oppositionspartei HDP, Selahattin Demirtaş, verglich die islamisch-konservative AKP Erdoğans sogar mit der Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Seine Partei kämpfe gegen den IS, sagte Demirtaş zur regierungskritischen Tageszeitung „Cumhuriyet“. Gleichzeitig kämpfe sie auch gegen das „faschistische“ Verständnis, das die AKP von der Gesellschaft habe. Die HDP ist eine Dachorganisation verschiedener kurdischer, linker und alternativer Parteien und betont stets, unabhängig von der PKK zu sein. Erdoğan versucht sie jedoch immer wieder in die Nähe der verbotenen PKK zu rücken. (APA/AFP)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.12.2015)

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