Bildung: Keine Ahnung von der Wirtschaft

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Eben noch Kinder, morgen schon Wähler: Viele 14-Jährige haben völlig falsche Vorstellungen davon, wie unsere Wirtschaft funktioniert und wie die Politik sie beeinflussen kann. Das zeigt eine brisante WU-Studie.

Wien. Der Staat legt fest, was importiert und exportiert wird: Das glauben 58 Prozent, also eine Mehrheit der Schüler in den vierten Klassen der Gymnasien und Neuen Mittelschulen. Immer noch vier von zehn gehen davon aus, dass der Staat auch über die Preise von Produkten und Dienstleistungen entscheidet. So viel naives Vertrauen in die unbegrenzte Gestaltungskraft von Politik mag die Herzen von Ministern und Marxisten erwärmen. Für alle anderen Bürger aber zeichnet ein Forschungsprojekt der WU Wien ein alarmierendes Bild: Sehr viele 14-Jährige haben schlicht keine Ahnung davon, wie Wirtschaft funktioniert. Zumindest eine soziale Marktwirtschaft.

Die größten Defizite betreffen das Verständnis für grundlegende Zusammenhänge und das Zusammenspiel der Akteure. Welche Leistungen gehen von Unternehmen an Privatpersonen? Die am häufigsten gewählte Antwort ist „Arbeit und Kapital“, erst an zweiter Stelle folgt die richtige: Löhne und Gewinne. Ein Rätsel muss vorerst auch bleiben, warum drei von zehn Befragten der Meinung sind, ein steigendes Wirtschaftswachstum führe zu höherer Arbeitslosigkeit.

Interesse endet beim Geld

Ähnlich wirre Ideen kreisen um den Themenkreis, wie die öffentliche Hand die Entwicklung beeinflusst. Dass man etwa Tischlern zu höheren Löhnen verhilft, indem man die Steuern auf die von ihnen gezimmerten Möbel erhöht, erschließt sich zwar 38 Prozent der Schüler, ist aber mit gängigen ökonomischen Theorien kaum kompatibel. Vielleicht am verblüffendsten: Konfrontiert mit einem Libro-Kassazettel, auf dem ein Canon-Drucker um 149,99 Euro ausgewiesen ist, denken vier von zehn, der Händler habe das Produkt auch zum selben Preis eingekauft. Womit dieser dann die Löhne für seine Angestellten und die Miete für sein Geschäft bezahlen soll, fragt sich der Nachwuchs offenbar nicht.

Oft beschleicht dem Leser des Endberichts das Gefühl, nicht wenige Jugendliche hätten einfach auf gut Glück irgendein Kästchen angekreuzt. Auch in der Studie heißt es einmal: „Es fällt schwer, für die Annahmen der Befragten eine plausible Erklärung zu finden.“ Eines aber fällt auf: Sobald es direkt ums Geld geht, wachen die jungen Geister auf. Was passiert, wenn der Zinssatz steigt, eine Währung abwertet oder eine Notenbank wie wild Geld druckt, das wissen und verstehen über zwei Drittel der Geprüften sehr wohl.

Für die Wirtschaftspädagogin Bettina Fuhrmann, die das Forschungsprojekt geleitet hat, ist das auch nicht verwunderlich: „Für Geld interessieren sich alle, es ist der erste und oft auch einzige Anknüpfungspunkt zum Thema Wirtschaft.“ Das zeigte sich schon in den Einzelinterviews, neben dem Test der zweite Teil der Erhebung. Worüber sich Jugendliche ebenfalls recht intensive Gedanken machen, ist die Verwendungsseite des Geldes: das Einkaufen. Wie aber eine Gesellschaft durch Wertschöpfung zu Wohlstand kommt, dafür haben viele nur ein Schulterzucken übrig.

Nun könnte man meinen: Es sind ja noch halbe Kinder, mitten in der Pubertät – da hat man eben andere Dinge im Kopf! Und darf sie auch haben, denn der Ernst des Lebens kommt früh genug. Aber zum Ernst des Lebens gehört auch, dass diese 14-Jährigen in zwei Jahren wählen dürfen und damit die Politik ihres Landes mitbestimmen.

„Je weniger wirtschaftspolitische Ahnung sie haben“, sinniert Fuhrmann, „desto weniger können sie die Folgen ihrer Wahlentscheidung abschätzen.“ Wer wenig weiß, „lässt sich von simplen Patentrezepten verlocken“. Durch eine bessere ökonomische Bildung könnten junge Menschen „ihre Entscheidungen reflektierter treffen“ – auch die Berufswahl, die in diesem Alter typischerweise ansteht: Vier von fünf entscheiden sich für eine berufsbildende Schule, die ihren weiteren Weg festlegt.

Lehrerausbildung als Schlüssel

Wie aber lässt sich bessere ökonomische Bildung erreichen? „Der Königsweg wäre ein eigenes Fach Wirtschaft“, ist Fuhrmann überzeugt, räumt aber ein: „Realistisch ist das leider nicht.“ Bei der üblichen Kombination von Geografie und Wirtschaftskunde komme Letztere „in der Regel unter die Räder“. Zumindest sollten die beiden Bereiche „im Lehrplan ausgewogen gewichtet sein“. Bisher sei die Wirtschaft meist nur ein Randthema – nicht nur im Unterricht, sondern auch in der Ausbildung zum Lehrfach. Genau hier liege der Schlüssel: „Lehrer unterrichten nur das gern, wo sie sattelfest sind.“ Wenn sie oft Antworten schuldig bleiben, verlieren sie vor der Klasse an Autorität. Nach Fuhrmanns Erfahrung sind die jungen Pädagogen „durchaus dafür offen“, mehr über Wirtschaft zu lernen und zu lehren – auch wenn bei der Wahl des Faches ihr Herz meist stärker für die Geografie schlägt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.12.2015)

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