Freda Meissner-Blau ist 88-jährig verstorben. Sie war maßgeblich an der Verhinderung der Kraftwerke Zwentendorf und Hainburg und an der Gründung der Grünen beteiligt.
Wien. Sie war eine der Galionsfiguren der Friedens- und Umweltbewegung und der Partei der Grünen in ihrer Anfangsphase. Freda Meissner-Blau ist 88-jährig am Dienstagabend verstorben.
Freda Meissner-Blau als Gründerin der Partei der Grünen zu bezeichnen wäre zu weit gegriffen. Die Grünen in den 80er-Jahren waren eine Bewegung, die sich aus vielen Quellen speiste: Friedensbewegung, bürgerliche Umweltschützer, linke Alt-68er. Und es gab etliche Gesichter dieser Bewegung: den Publizisten Günther Nenning, Nobelpreisträger Konrad Lorenz, den Biologe Bernd Lötsch, um nur einige zu nennen.
Gemeinsam war all den unterschiedlichen Gruppierungen der Kampf gegen das Kraftwerk Hainburg im Jahr 1984. Die politische Einigung auf eine gemeinsame Liste gelang ein Jahr später – und da spielte Meissner-Blau eine Schlüsselrolle. Die Friedens- und Umweltaktivistin mit bürgerlichem Background war diejenige, auf die sich alle rivalisierenden Gruppen als Spitzenkandidatin einigen konnten. Sie war auch die erste Klubobfrau der Grünen im Parlament.
„Schlimme Buben“
Dass sie die erste Frau war, die einen Parlamentsklub leitete, wird der engagierten Frauenrechtlerin gefallen haben. Dass sie die einzige Frau im achtköpfigen Parlamentsklub war, wohl weniger. „Junge Burschen, die auf meinen Job scharf waren“ seien das gewesen, so Meissner-Blau Jahre später.
Diese wiederum taten sich nicht ganz so leicht mit der konservativen Bürgerlichen, der Etikette wichtig war: „Meissner-Blau hat uns als schlimme Buben gesehen und immer Angst gehabt, dass wir wieder einmal etwas anstellen“, erinnert sich der frühere Abgeordnete Manfred Srb.
Die Politikerkarriere war nur von kurzer Dauer. Schon nach zwei Jahren im Parlament warf Freda Meissner-Blau das Handtuch. Vorangegangen war ein Streit zwischen dem linken und dem rechten Flügel, der damit endete, dass Josef Buchner, der von den bürgerlichen Vereinten Grünen zur Parlamentspartei gestoßen war, den Klub verließ und als wilder Abgeordneter weitermachte. Meissner-Blau verließ bald darauf das Parlament.
Politisch geprägt wurde sie durch persönliche Erlebnisse. Die Tochter einer altösterreichischen Offiziers- und Industriellenfamilie wurde 1927 in Dresden geboren. Mit 17 flüchtete sie aus Böhmen Richtung Westen und erlebte dabei die Bombardierung von Dresden mit – die Grundlage für den Einsatz für die Friedensbewegung.
Zur Anti-Atom-Bewegung kam sie, als sie in Paris als Übersetzerin für die Atomindustrie arbeitete. Als ihr niemand erklären konnte, was mit den abgebrannten Brennstäben passieren soll, wurde sie zur erbitterten Gegnerin der friedlichen Nutzung der Kernkraft. Als Meissner-Blau, die mit dem Chefredakteur des SPÖ-Parteiblattes „Arbeiter-Zeitung“, Paul Blau, verheiratet war, nach Österreich zurückkehrte, wurde sie führendes Mitglied der Anti-Atom-Bewegung, die 1978 die Inbetriebnahme des Kernkraftwerks Zwentendorf verhinderte.
Grünen fehlt Enthusiasmus
Nach ihrem Ausscheiden aus der Politik hielt sich Meissner-Blau mit öffentlichen Aussagen zurück. Einmal kritisierte sie Parteichef Alexander Van der Bellen wegen dessen Abkehr von „urgrünen“ Themen, ein andermal stärkte sie Parteichefin Eva Glawischnig im Streit mit Johannes Voggenhuber den Rücken. In einem Interview mit der „Presse“ im Jahr 2012 lobte sie die Professionalisierung der grünen Politik, vermisste aber den Enthusiasmus der Anfangszeit – wiewohl sie zugestand, dass im Parlament die Mühen der Ebene beginnen – „und da flaut vieles ab“.
2011 hat Freda Meissner-Blau übrigens einen für eine ehemalige Parteichefin ungewöhnlichen Schritt gesetzt: Sie trat offiziell der grünen Partei bei. Zu der Zeit, als die Grünen ins Parlament einzogen, hat es nämlich so etwas wie eine Parteimitgliedschaft noch gar nicht gegeben.
Vertreter aller Parteien würdigten am Mittwoch Meissner-Blau. Die grüne Bundessprecherin, Eva Glawischnig, erklärte, Freda Meissner-Blau habe immer wieder von ihrer tiefen Überzeugung erzählt, dass es einer großen gesamtgesellschaftlichen Wende bedürfe. „Das ist ihr Vermächtnis für mich.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.12.2015)