Die Geldschwemme in der Premier League bereitet dem europäischen Fußball Kopfzerbrechen. Ob sie das Spielniveau hebt, bleibt fraglich.
Überlegene Tabellenführung, souveräne Qualifikation für die zweite Phase der Champions League, Rekordgewinn von 111 Millionen Euro vor Steuern – man kann sich eine unangenehmere Aufgabe vorstellen, als Präsident des FC Bayern München zu sein. Doch Karl-Heinz Rummenigge ist zutiefst besorgt. „Es wird für uns auch in Zukunft nicht leichter werden“, sagte er, als ihm englische Fußballklubs fast um jeden Preis den Offensivspieler Thomas Müller abkaufen wollten. „Wenn ich Bankdirektor wäre, hätten wir das machen müssen“, sagte er damals. Im Sommer verliert Rummenigge Startrainer Pep Guardiola, höchstwahrscheinlich an Manchester City.
Bei den Citizens träumt man sogar von einer Wiedervereinigung Guardiolas mit seinem Lieblingsschüler, Lionel Messi. City soll bereits sagenhafte 265 Millionen Pfund (365 Millionen Euro) dafür bereitgestellt haben, dass die beiden künftig den Regen Nordwestenglands über sich ergehen lassen. Rummenigge: „Es wird angesichts des englischen TV-Vertrages auch für den FC Bayern in Zukunft nicht leichter werden.“
Tatsächlich sind den (meisten) englischen Klubs finanziell dieser Tage (scheinbar) keine Grenzen gesetzt. Die Fernsehrechte wurden im Februar für einen Rekordbetrag von 5,14 Milliarden Pfund für die Periode 2016–2018 verkauft, das ist ein Zuwachs um stolze 71 Prozent. Im August kam noch einmal eine Milliarde Pfund aus den Übertragungsrechten in die USA dazu. Der Autokonzern General Motors zahlt Manchester United im Jahr 53 Millionen Pfund, damit die Spieler der Red Devils auf ihren Trikots für die Konzernmarke Chevrolet werben.
Die Premier League ist ein Weltunternehmen. Zu einem Freundschaftsspiel des FC Liverpool in Melbourne kamen im Sommer 100.000 Zuseher. Die englische Ligavereinigung schätzt die Zahl der asiatischen Fans auf über zwei Milliarden. Manchester-City-Eigentümer Scheich Mansour verkaufte soeben einen 13-Prozent-Anteil an seinem Verein um 265 Millionen Pfund an chinesische Investoren.
Den Einnahmen stehen aber auch hohe Ausgaben gegenüber: United-Manager Louis van Gaal durfte seit Amtsantritt im Sommer 2014 250 Mio. Pfund investieren. Mit Wayne Rooney, der pro Woche 300.000 Pfund (!) verdienen soll, hat der Rekordmeister den bestbezahlten Liga-Kicker unter Vertrag. Selbst bei einem betont solide geführten Verein wie Arsenal belaufen sich die Personalausgaben auf 55 Prozent des Gesamtumsatzes.
Verkehrte Welt. Ob die Geldschwemme das Leistungsniveau in vergleichbarem Ausmaß erhöht, ist fraglich. Zwar schafften im Herbst drei von vier englischen Klubs die Qualifikation für die K.-o.-Runde der Champions League, in der Liga zeigt sich aber ein anderes Bild. Vorjahresmeister Chelsea, im Besitz des Oligarchen Roman Abramowitsch und an sich seit seinem Amtsantritt aller Geldsorgen ledig, kratzte an der Abstiegszone – und Manager José Mourinho wurde am 17. Dezember entlassen. Als Abfertigung werden 35 Millionen Pfund genannt. Manchester City gab im Sommer knapp 150 Millionen Pfund aus und verteidigt immer noch wie eine Wirtshausmannschaft.
Schlagzeilen machten indes die Kleinen. Tabellenführer Leicester (mit Christian Fuchs) galt vor Saisonbeginn als Fixabsteiger. Furore macht das Stürmerduo Vardy/Mahrez, von dem Ersterer um eine Million Pfund aus der Amateurliga, Zweiterer für nur 400.000 Pfund in die East Midlands kam. Dasselbe gilt für Aufsteiger Watford (mit Sebastian Prödl) und noch mehr für Stoke City (2:0 gegen ManU am Boxing Day, Van Gaal steht vor dem Aus).
Das Quartett Shaqiri, Krkić, Affelay und Arnautović gehört am richtigen Tag zum Besten, was in der Premier League zu sehen ist. Die Treffer gegen die Red Devils steuerten Arnautović und Krkić bei. Das ist ein Verdienst der klugen Einkaufspolitik von Manager Mark Hughes: „Es gibt so viele tolle Spieler wie noch nie. Aber selbst die größten Vereine können nur mit elf Mann auf das Feld kommen.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.12.2015)