Bayern kritisiert Berliner Grenzmanagement

GERMANY NEW POLICE UNIFORMS
GERMANY NEW POLICE UNIFORMSAPA/EPA/BARVARIAN STATE CHANCELL
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CSU-Innenminister Joachim Herrmann übt scharfe Kritik am Grenzmanagement der deutschen Regierung. Zur lückenlosen Kontrolle will er ergänzend eigene Beamte einsetzen, Berlin lehnt das bisher ab.

Wien/München/Berlin. Der Weihnachtsfriede in der Unionsfraktion dürfte vorbei sein: Bayerns Innenminister, Joachim Herrmann, hält die Kontrollen für Flüchtlinge an der deutsch-österreichischen Grenze für unzureichend, wie er in einem Interview mit der „Welt am Sonntag“ sagte. Die Bayern wollen deshalb an jenen Übergängen, an denen die Bundespolizei mangels Personal nicht kontrollieren kann, „selbst aktiv werden“.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) aber lehnt die Forderung Herrmanns bisher offenbar ab – wofür der CSU-Politiker „kein Verständnis“ hat. Immerhin sei das Sicherheitsrisiko angesichts der organisierten Kriminalität und der Bedrohung durch den internationalen Terrorismus immens, warnt der bayerische Minister. Dass fünf Wochen nach Paris keine verlässlichen Kontrollen an der EU-Außengrenze durchgeführt werden, sei ein „Armutszeugnis“. Herrmann fordert einmal mehr eine Reduktion der Flüchtlingsströme nach Deutschland: „Es kommen noch immer bis zu 4000 Flüchtlinge pro Tag über die bayerische Grenze. Diese Zahl darf man nicht verniedlichen. Wir müssen erreichen, dass der Zustrom auf durchschnittlich 1000 Flüchtlinge pro Tag gedrosselt wird“, sagt er in dem Interview.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich stets gegen eine Obergrenze für Flüchtlinge ausgesprochen, versprach aber, auf EU-Ebene alles zu unternehmen, damit der Schutz der Schengener Außengrenze künftig wieder besser funktioniert. „Das muss jetzt dringend passieren“, fordert auch Herrmann in der „Welt“ – und übt scharfe Kritik an Griechenland, von wo die Flüchtlinge bekanntlich aus der Türkei kommend über die Balkanroute nach Norden weiterreisen. Was die griechischen Behörden leisteten, sei eine „Farce“, zürnt der Minister – und er steht mit seinem Tadel an den chaotischen Zuständen in dem Mittelmeerland nicht allein da. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) kritisiert, dass sich die Athener Regierung seit Jahren nicht an die Vereinbarung von Dublin hält, wie er in der „Bild am Sonntag“ sagt.

Dublin-Abkommen wirkungslos

Laut der Dublin-Regelung ist jener Mitgliedstaat für ein Asylverfahren zuständig, in dem ein Flüchtling zum ersten Mal europäischen Boden betreten hat. Sie hat sich in den vergangenen Monaten jedoch als praktisch wirkungslos erwiesen, weil zahlreiche EU-Staaten Flüchtlinge ungehindert weiterreisen ließen. Nach Griechenland dürfen Zuwanderer ohnehin nicht mehr rückgeschickt werden.

Indes wird jedoch auch die Kritik am Berliner Management in der Flüchtlingskrise immer lauter – und sie kommt nicht nur aus Bayern: Der deutsche Beamtenbund wirft der Regierung vor, zu spät reagiert zu haben. „Diese Krise ist keine Verwaltungskrise, sondern eine Krise der politischen Führung“, sagt der zweite Vorsitzende, Willi Russ, in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Seine Organisation habe schon vor Jahren gewarnt, dass es an Personal und technischer Ausstattung fehle. „Wir brauchen im gesamten öffentlichen Dienst 180.000 neue Kollegen“, fordert Russ. Nötig seien etwa andere Verwaltungsstrukturen und effizientere Verfahren. (red./ag.)

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.12.2015)

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