Eine Gesundheitsministerin mit Reformen, ohne Revolutionen

MINISTERRAT: BM OBERHAUSER
MINISTERRAT: BM OBERHAUSERAPA/GEORG HOCHMUTH
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Sabine Oberhauser versucht, das Gesundheitssystem weiterzuentwickeln – im Rahmen dessen, was die Sozialpartner zulassen.

Wien. Es war kein leichtes erstes Jahr für Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser, im Gegenteil. Am 1. September 2014 übernahm sie den Job von Alois Stöger, ein halbes Jahr später erkrankte sie an Krebs. Heuer im August sagte die SPÖ-Politikerin dann in einem Interview mit der „Presse am Sonntag“: Die Therapie habe fürs Erste gegriffen, es gehe ihr wieder gut. Dass die 52-Jährige mittlerweile wieder sehr umtriebig ist und jeden Morgen ihren Wetterbericht via Facebook postet, ein lange gepflegtes Ritual, darf als gutes Zeichen gewertet werden.

Beruflich hat Oberhauser einiges weitergebracht. Anfang Dezember ging die Elektronische Gesundheitsakte, eine von vielen unendlichen Geschichten der Gesundheitspolitik, in Betrieb, zunächst einmal im Krankenhaus Hietzing und in (fast) allen steirischen Spitälern. Nach und nach folgen nun die anderen Bundesländer und, ab Mitte 2016, auch die niedergelassenen Ärzte.

Außerdem hat die Ministerin ein Rauchverbot in der Gastronomie durchgesetzt, das Mitte 2018 in Kraft tritt, und ein neues Fortpflanzungsgesetz auf den Weg gebracht, das die Eizellenspende und die Samenspende bei der Befruchtung im Reagenzglas (in-vitro-Fertilisation) erlaubt. Beides mit freundlicher Unterstützung von Reinhold Mitterlehner, der gerade dabei war, der ÖVP ein moderneres Image zu verpassen. Dass sie auch Krisenmanagement kann, hat Oberhauser am Beginn der Amtszeit bewiesen, als in Afrika der Ebola-Virus wütete. Mit einem netten, aber ergebnisorientierten Führungsstil habe sie den Stresstest bestanden, hieß es damals aus dem Ministerium.

Charakterlich ist Oberhauser so ziemlich das Gegenteil von Stöger: Offen, redselig, spontan. Sie sei präsenter, rhetorisch besser und könne die Mitarbeiter leichter mitnehmen, heißt es. Allerdings hatte Stöger seine Stärken im Hinterzimmer. In zähen Verhandlungen mit den Ländern und den Sozialversicherungen wurde ein Konzept für eine Gesundheitsreform entwickelt, mit dem alle Seiten leben können. Seine Vorgänger waren an diesem Projekt gescheitert.

Oberhauser hat nun die Aufgabe, Stögers Theorie in die Praxis umzusetzen. Was einfacher klingt, als es ist. Teil eins der Gesundheitsreform, die Neuorganisation der Primärversorgung, hängt in der Luft. Bis Jahresende hatte die Ministerin ein Gesetz angekündigt, das den Betreibern der geplanten Primärversorgungszentren Rechtssicherheit bringen und neue Verträge mit der Ärztekammer ermöglichen soll. Bisher hat Oberhauser aber nur einen groben Plan (Punktuation) vorgelegt.

Ein Großteil der Ärzteschaft und Teile der ÖVP sind der Meinung, dass diese Gesundheitsnetzwerke, in denen sich Ärzte mit Therapeuten und Pflegern zusammentun, auch innerhalb der bestehenden Rechtsordnung umgesetzt werden können. Oberhauser hat das immer bestritten. Umso mehr verwundert es, dass sie sich mit dem Gesetz so lange Zeit lässt.

Weiterentwicklung des Systems

Große Strukturreformen darf man von der Ministerin nicht erwarten. Sie kommt aus dem Gewerkschaftsbund, der mit der Wirtschaftskammer das Gesundheitswesen dominiert, und hat das auch nicht vergessen. Wäre sie eine Revoluzzerin, hätte sie diesen Job vermutlich nicht bekommen. Aber im Rahmen der österreichischen Realverfassung darf man ihr durchaus eine Weiterentwicklung des Systems zutrauen.

Dass Oberhauser, die Ärztin, eine ärztefreundlichere Politik machen wird als der ehemalige oberösterreichische Kassenchef Stöger – diese Hypothese wurde gleichermaßen bestätigt und widerlegt. Am Beispiel Elga nämlich: Die Entwickler wurden von ihr zurück an den Start geschickt, weil ihr die Gesundheitsakte nicht sicher genug, vor allem aber nicht benutzerfreundlich genug erschienen war. Jetzt, da die Mängel behoben sind, zieht sie das Projekt durch – gegen den Widerstand vieler Ärzte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.12.2015)

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