Flüchtlinge: Asyl auf Zeit braucht noch Zeit

80.000 Menschen stellten bisher in diesem Jahr einen Asylantrag. In Spielfeld kommen derzeit rund 900 Menschen täglich an.
80.000 Menschen stellten bisher in diesem Jahr einen Asylantrag. In Spielfeld kommen derzeit rund 900 Menschen täglich an.(c) APA/ERWIN SCHERIAU
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SPÖ und ÖVP verhandeln noch immer Verschärfungen des Asylrechts. Nun erhöht die Volkspartei den Druck: Innenministerin Mikl-Leitner will im Jänner eine Entscheidung.

Wien. Ursprünglich kam die Idee aus Oberösterreich und Tirol. Im Sommer preschten die beiden schwarzen Landeshauptmänner, Josef Pühringer und Günther Platter, damit vor: Flüchtlinge sollten in Zukunft nur noch zeitlich befristet Asyl bekommen. Und nicht mehr, wie bisher in der Praxis gehandhabt, auf unbestimmte Zeit – bis sich nach fünf Jahren das Aufenthaltsrecht verfestigt.

Wenige Wochen später war es bereits Linie der Bundespartei: Im September präsentierte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner ihre Pläne für das sogenannte Asyl auf Zeit – samt Verschärfungen des Familiennachzugs. Die SPÖ reagierte teils heftig ablehnend, teils zögerlich zustimmend. Am Ende einigte man sich darauf, gemeinsam einen Gesetzesentwurf zu erarbeiten.

Nur: SPÖ und ÖVP verhandeln noch immer, eine Entscheidung wurde weiter nach hinten verschoben. Während der Begutachtungsfrist ist der Vorschlag der Volkspartei auf heftige Kritik gestoßen – auch deswegen ist der Koalitionspartner noch vorsichtig. Die nächste Sitzung der beiden Parteien soll es im neuen Jahr geben.

Nach den Feiertagen will die Volkspartei allerdings den Druck erhöhen. „Spätestens im Jänner soll es einen Ministerratsbeschluss geben“, sagte sie am Montag. „Denn wenn wir die Hände in den Schoß legen, müssen wir mit bis zu 120.000 Asylanträgen 2016 rechnen. Das halte ich für inakzeptabel“, lässt sie der „Presse“ ausrichten. Klubobmann Reinhold Lopatka rief Kanzler Werner Faymann allgemein dazu auf, zu handeln statt zu reden. „Bei den entscheidenden Fragen wird von der SPÖ zu viel gebremst“, sagt er – auch bei Asyl auf Zeit.

Strengerer Familiennachzug

Doch woran spießen sich nun die Gespräche? Keinen großen Dissens dürfte es bei der Verschärfung des Familiennachzugs geben, ist aus Verhandlerkreisen zu hören: Wird einem Flüchtling Asyl zuerkannt, hat er in Zukunft drei Monate Zeit, einen Antrag auf Familienzusammenführung zu stellen. Nach dieser Frist wird es schwieriger: Asylberechtigte müssen ein fixes Einkommen nachweisen – und über genügend Wohnraum sowie eine Krankenversicherung verfügen.

Drei-Jahres-Frist umstritten

Schwieriger wird es für subsidiär Schutzberechtigte – also jene Menschen, die keinen klassischen Asylgrund haben, deren Sicherheit im Heimatstaat aber dennoch nicht gewährt ist: Sie sollen erst nach drei Jahren ihre Kernfamilie nach Österreich holen dürfen.

Der Hauptpunkt der Asylnovelle der ÖVP ist allerdings umstrittener: Die Partei will (rückwirkend mit Mitte November) Flüchtlingen zunächst für drei Jahre befristet Asyl gewähren. Nach dieser Zeitspanne überprüft die Behörde, ob der jeweilige Schutzgrund noch immer vorliegt. Falls nicht, muss die Person das Land verlassen. Darf sie bleiben, wird das Prozedere nach zwei Jahren wiederholt. Erst danach wird Flüchtlingen unbefristet Asyl gewährt.

Die SPÖ ist aus mehreren Gründen skeptisch. Prinzipiell habe man nichts dagegen, mit strengeren Asylgesetzen ein Signal zu senden, heißt es aus der Partei. Allerdings zweifelt man daran, dass die Regelung praxistauglich sei: Durch die Überprüfung der Asylgründe würde es zu einem massiven Bürokratieaufwand kommen. Die Behörden wären damit wohl überfordert, fürchtet man. Bei den neu gestellten Asylanträgen könnte es zu einem Rückstau kommen.

Auch abseits der SPÖ gab es in den vergangenen Wochen Bedenken: Das UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) kritisierte etwa, dass sich die befristete Aufenthaltsberechtigung negativ auf die Integrationschancen auswirken würde. In der Wiener Stadtregierung fürchtet man, dass Arbeitgeber Personen mit befristetem Status benachteiligen könnten. Asylberechtigte würden so in die Mindestsicherung fallen. Die Wirtschaftskammer drängte wiederum darauf, nicht alle Flüchtlinge über einen Kamm zu scheren: Jene, die zumindest seit einem Jahr in voll versicherungspflichtiger Beschäftigung sind, sollten nach drei Jahren unbefristet bleiben dürfen.

Trotz aller Kritik beharrt die ÖVP allerdings auf ihren Plänen. Auch Belgien, Dänemark, Deutschland und Schweden hätten (unter anderem) ihre Gesetze verschärft, argumentiert man. Nun sei Österreich dran.

Auf einen Blick

Die ÖVP will das Asylrecht verschärfen: Flüchtlinge sollen zunächst drei Jahre befristet in Österreich bleiben dürfen – dann wird ihr Asylstatus erneut geprüft. Liegt kein Asylgrund mehr vor, müssen sie laut ÖVP-Plänen das Land verlassen. Haben sie noch ein Anrecht auf Schutz, können sie weiterhin bleiben. Nach insgesamt fünf Jahren Aufenthalt wird Asyl zum Dauerrecht. Die SPÖ ist skeptisch – und verhandelt dennoch seit Wochen mit dem Koalitionspartner.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.12.2015)

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