Keine klassische Restaurantkritik, sondern die kulinarischen Empfehlungen des Jahres 2015 - von Rainer Nowak.
Ein kleiner Jahresrückblick also? Die Lokal eröffnungen des Jahres, die sogenannten Geheimtipps und die neuesten Hipster-De lis? Sicher nicht, das überlassen wir den Kollegen. Kein vernünftiger Mensch geht freiwillig in das x-te Kellerbeisl im Shabby-Stil, setzt sich auf unbequeme Hocker, lässt sich von Amateuren mit Instant-Tattoos und aufgeklebten Vollbärten handgestreichelte Steaks vom Industrieviertler Rotrind servieren und sich über die glänzende Zukunft des einzig wahren Filterkaffees zutexten.
Stattdessen die kleinen sympathischen Überraschungen eines kulinarischen Jahres. Das Wichtigste zu Beginn: Jaqueline Pfeiffer mit Christian Domschitz im Vestibül ist eine gute Kombination. Pfeiffer bringt Leichtigkeit und ein bisschen Klassik in die Küche, Domschitz seine Klassiker und humorvolle Kreativität, wenn es um die Interpretation der Wiener Wirtshausküche geht. Danke. Konstantin Fillipou hat in seinen zwei Lokalen eine große Linie gefunden, produktversessen wirkt seine Kochkunst ein bisschen wie große Klassik. (Und ja, ich war zu lange nicht. . .)
Heinz Reitbauer kocht mit seinem Steirereck weiterhin einsam an der Spitze der Stadt, er experimentiert weiter mit Gemüsesorten, mit vergessenen Gewürzen und österreichischem Material, der dritte "Michelin"-Stern muss fallen. Genau. Der Saibling im Ganzen ist und bleibt das vermutlich beste Gericht in der Meierei.
A propos Mittagessen mit Kindern: Es gibt nicht viele Adressen in und um Wien, die Ausflug - ja, das Wort soll man wieder verwenden -, gutes Essen und vernünfti ges Zeit-Leistungs-Verhältnis bieten. Letzteres gibt es im viel gescholtenen Chalet Moeller nicht so ganz, das Service hat beim Thema Geschwindigkeit noch Potenzial nach oben. Aber: Dort gibt es wirklich gute Salate. Ein paar Meter weiter steht das Restaurant Klee am Hanslteich, in dem man nicht nur sonntags ein wirklich gutes Steak isst. Nicht jedes Lokal, das gestürmt und gejubelt wird, muss wieder von der Landkarte verschwinden. Manches bleibt. Das gilt auch für meine Fisch-Favoriten des Jahres: Seit Erkan Umar sein Lokal veredeln ließ, stieg auch die Qualität. Wirklich großartig war/ist die Küche im Hotel Das Traunsee (Restaurant Bootshaus), wenn die Fischer frisch liefern.
Und nun noch ein Plädoyer für exzellente Hotelkost. Wirklich empfehlenswert ist die Küche des Park Hyatt in Wien eins: Im The Bank sitzt man im ehemaligen Kassasaal der einstigen Länderbank, später der Bank Austria. Auch hier setzt man trotz internationalen Küchenkonzepts stark auf die Verwendung von lokalen Produkten aus Wien und Umgebung - vom Honig bis zur Schnecke. Nicht ganz so mondän saß ich im Restaurant Le Ciel (Grand Hotel), das Toni Mörwald unter seine Fittiche genommen hat: Küchenchef Roland Huber ist ein radikaler Kreativer, der mit großen Aromen spielt und den Wolfsbarsch gegen einen Schweinefuß auf dem Teller antreten lässt, indem er ihnen Fenchel und Pfefferoni mitgibt. Das hat alles seinen Preis, ist aber eine echte Empfehlung. Weitere werden 2016 folgen.