Skispringer sind oft nicht mitteilungsfreudig, der Finne Janne Ahonen lebte es vor und nun folgt der Slowene Peter Prevc diesem Vorbild. Springen, siegen – und nichts verraten.
Eigentlich möchte der Slowene Peter Prevc gar nicht sprechen, nichts über sich geschweige denn über seine Liebe zum Skispringen verraten. Der 23-Jährige aus Kranj springt lieber. Er spielt mit der Luft, dem Wind, setzt seine brillante Technik ein. All das verlangt keine Erklärungen, schon gar nicht auf Englisch, davon scheint Prevc überzeugt zu sein. Beim Auftakt zur 64. Vierschanzentournee wurde das in Oberstdorf erneut offensichtlich. Der dreifache Saisonsieger mimte einmal mehr den Unnahbaren, er übte sich im Understatement und sein Schweigen erinnerte in gewisser Weise an den „Slapstick-Schmäh“ des Finnen Janne Ahonen. „Ich bin ein Favorit? Ja, aber es gibt so viele andere auch, die gewinnen können. Oder?“
Es ist zuletzt sehr viel über den Slowenen zu lesen gewesen. Rund um die Tournee sind Reporter stets bemüht, Zahlen, Daten und Medaillen aufzulisten, um so Stärke und Können eines Sportlers zu erklären. Doch mit Olympia-Silber und -Bronze in Sotschi 2014 oder drei WM-Medaillen ist das Phänomen Prevc nicht erklärt. Vor allem geht die menschliche Komponente verloren, sein Zugang zum Sport.
Das Prevc-Quartett
Prevc hat das Springen durch seinen Vater entdeckt. Freunde nahmen ihn zur Schanze mit, er gewann prompt die „Dorf-Meisterschaft“, erklärte er der „Presse“ schon 2014 im Stakkato-Stil. Im lokalen Skiklub wurde aber nicht nur er groß, sondern mit ihm als Zugpferd die ganze Familie. Seine Brüder Cene, 19, und Domen, 16, mit dem er in Engelberg sogar gemeinsam auf dem Podest stand – und auch die kleine Schwester. Nika Prevc, 10, gewann gestern den Mädchenbewerb in Ruhpolding.
Es ist ein weiteres Märchen einer Sportfamilie, die sich durchsetzt. Der große Bruder ist seit zehn Jahren in FIS-, Continental- und Weltcup unterwegs, seine Erfolge bescherten ihm die Auszeichnung als „Sportler des Jahres“. Kein Fußballer oder Leichtathlet gewann, sondern ein Skispringer. Prevc wollte das, nicht unerwartet, verschweigen. Es gelang aber nicht. „Ein schöner Erfolg, wichtig für mich, den Sport“, sagte er plötzlich in fließendem Englisch. Er grinste, er dürfte Gefallen finden am Spiel mit den Worten.
Dass er jetzt der zweite Slowene nach Primoz Peterka (1997) werden kann, der die Tournee gewinnt, wollte er schon nicht mehr hören. Auch mit den Weltmeistern Franci Petek (1991) oder Rok Benkovic (2005) wollte er sich nicht vergleichen, „weil mir der Titel doch noch fehlt“. Fremde Federn schmücken nicht, Prevc beweist in diesem Punkt ungeheure Charakterstärke. Dabei gilt er längst als Nummer eins im Springerzirkus.
Cool, höflich, bescheiden
Anfahrt, Absprung, rasches Öffnen des V und perfekte Telemark-Landung, Prevc zeigt es vor und alles ist wie aus einem Guss. Wenn andere wackeln, zaudern oder mit der Jury und dem Computer hadern, bleibt er höflich und gelassen. Er weiß um alle Umstände Bescheid, sieht keinerlei Veranlassung, mit irgendjemanden auf Konfrontationskurs zu gehen. Warum auch, Siegern stellt sich ohnehin keiner in den Weg.
Das Tragen des Gelbes Trikots als Weltcupleader schien Prevc, kaum verwunderlich, in Wahrheit peinlich zu sein. Er sei kein Favorit, beteuerte er in einer Tour und es ist davon auszugehen, dass er diese Antwort die komplette Tournee über geben wird. Im Vorjahr spielten ihm die Nerven noch einen Streich, er verspielte den Tourneesieg in Innsbruck und Bischofshofen. Nun wirkt der Slowene stärker denn je, Titelverteidiger Stefan Kraft bewundert das Können des Überfliegers, der in seiner Freizeit Volleyball oder Computer spielt. „Peter ist ein cooler Typ. Sein Flugsystem stimmt eigentlich immer“, sagt der Salzburger. Und wenn nicht, werden es nur Insider bemerken. Prevc wird es sicher verschweigen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.12.2015)