Vierschanzentournee. Severin Freund gewann Auftakt in Oberstdorf vor Michael Hayböck und Peter Prevc. Deutschland feiert seine Schanzen-Renaissance, sein Trainer Werner Schuster jubelt.
Deutschland feiert bei der Vierschanzentournee eine neue Sternstunde. Erstmals seit Sven Hannawald 2002 gewann ein DSV-Adler wieder das Auftaktspringen in Oberstdorf, bei der 64. Auflage des Schanzenklassikers setzte sich Severin Freund in Szene. Begünstigt durch die leidige Wind- und Gateregel segelte der Schützling des Vorarlbergers Werner Schuster auf 126 und 137,5 Meter. Er gewann vor Michael Hayböck (130/139) und Weltcup-Leader Peter Prevc (Slo; 129,5/130).
25.500 Zuschauer in der Schattenberg-Arena waren aus dem Häuschen, es hallten „So schön“-Choräle auf. Es war Gänsehaut-Stimmung im Skisprung-Stadion pur – wie bei einem Länderspiel der Fußballer von Joachim Löw. Freund war der gefeierte Mann, er galt nie als Jahrhundertalent geschweige denn als Siegertyp. Dennoch, er gewann mit der Mannschaft in Sotschi Olympiagold. 2015 krönte er sich bei der WM in Falun zum Champion, jubelte über Mixed-Gold und gewann auch den Gesamtweltcup.
Glück und viel Luken-Pech
Er gilt als Arbeiter, lebt in München-Neuhausen – und stand trotz seiner Triumphe im Schatten anderer. Nun schloss er für Skisprung-Deutschland eine Lücke, beendete mit seinem ersten Tournee-Tagessieg das vierzehnjährige Warten der Deutschen. „Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Der Wind hat mir sicherlich geholfen, er hat alles verzerrt mit den Verschiebungen der Luken. Egal . . .“
Anfahrt, Absprung, rasches Öffnen des V und perfekte Telemark-Landung – Freund zeigte es der Konkurrenz aber auch vor. Wenn andere wackelten oder mit Jury und Computer haderten, blieb er gelassen. Freund, der seinen insgesamt 21. Weltcupsieg genoss, gab aber offen zu, dass er Glück hatte.
Nun wird er in seiner Heimat als Favorit gepriesen, obwohl Schuster davon nichts wissen wollte. „Das ist zu früh. Man kann bei der Tournee nur von Station zu Station denken.“ Freund hat drei Punkte Vorsprung auf den Oberösterreicher Hayböck („Ich bin zufrieden, obwohl ich schon im Vorjahr hier in Oberstdorf Zweiter geworden bin und eigentlich gewinnen wollte“) und 7,3 Zähler auf den von der Luken-Schieberei schwer benachteiligten Slowenen Prevc.
Eine Skisprung-Weisheit besagt, dass man die Tournee in Oberstdorf nicht gewinnen, aber sehr wohl verlieren kann. Der Vorsprung, den ein Sieger mit ins Neujahrsspringen (Freitag, 14 Uhr, live ORF1) mitnimmt, ist zumeist auch beflügelnd für die weiteren Aufgaben. Wer nach dem Auftakt im Allgäu allerdings zurückliegt oder wie Gregor Schlierenzauer und Manuel Poppinger (35., 117) gar nicht in den zweiten Durchgang kommt, muss sich neue Motivation und Ziele suchen. Für sie ist die Tournee nach zwei Sprüngen gelaufen.
Schlierenzauer enttäuscht
Für den Stubaier, der sich nach drei Wochen Auszeit erst in der Vorwoche im ÖSV-Kader zurückgemeldet hatte, war der Sprung auf 117 Meter ernüchternd. Der zweimalige Tourneesieger schied als 31. aus und musste mit seinem schlechtesten Oberstdorf-Resultat bei seiner zehnten Tournee abziehen. „Was soll ich tun? Mehr als es probieren kann ich nicht. Mehr ist derzeit nicht drin.“
Aber nicht nur Schlierenzauer war geschlagen, auch Titelverteidiger Stefan Kraft muss wohl seinen Traum auf den zweiten Gold-Adler abhaken. Er wurde Siebenter, hat 20 Punkte Rückstand. Das ist bei der Tournee zu viel – außer der Wind und die leidige Regel drehen sich...
TOURNEE-DATEN Oberstdorf
1. Severin Freund (GER) 307,2 (126/137,5)
2. Michael Hayböck (AUT) 304,2 (130/139)
3. Peter Prevc (SLO) 299,9 (129,5/130)
Weiters, 4. Fannemel (NOR) 295,8 (130,5/129) 5. Kasai (JPN) 290,6 (127,0/133,5) 6. Gangnes (NOR) 288,6 (129/135,5) 7. Kraft (AUT) 287,7 (130/127,5) 8. Forfang (NOR) 278,8 (121,5/127) 9. Freitag (GER) 276,5 (121/130) 10. Tande (NOR) 273,9 (133/119); 31. Schlierenzauer 116,9 (117) 35. Poppinger 115,6 (117).
Neujahrsspringen: Freitag, 14 Uhr, ORF1.
(APA)