Wenige Fakten, viel Spekulation: Die Chancen auf eine Klärung der Unfallursache schwinden immer mehr. Als äußerst wahrscheinlich gilt, dass der Airbus in großer Höhe auseinandergebrochen ist.
WIEN. Noch immer ist es ein Rätsel, was auf Flug AF-447 auf dem Weg von Rio de Janeiro nach Paris am Pfingstmontag wirklich passiert ist. Vielleicht bleibt es das auch für immer. Denn die Hoffnungen, den Flugschreiber der abgestürzten Air-France-Maschine mit 228 Menschen an Bord zu bergen, schwinden – und damit auch die Chance, je aufzuklären, was sich an Bord des Airbus 330 abspielte.
Am Dienstag vermeldete die Zeitung „Le Monde“, dass erste, schwache Signale in der riesigen Absturzzone etwa 850 Kilometer nordöstlich des Archipels Fernando de Noronha geortet werden konnten und das Mini-U-Boot „Nautile“ getaucht sei. Doch wenig später winkte das französische Amt für Unfallanalyse (BEA) ab: Immer wieder empfange man Signale, aber eben leider nicht jene vom gesuchten Flugschreiber, der in 1000 bis 4600 Tiefe auf dem zerklüfteten Meeresboden vermutet wird. Noch etwa eine Woche lang sendet die Blackbox Signale aus. Verstummen diese, ist es quasi unmöglich, das Wrack zu orten und Klarheit über die Absturzursache zu bekommen.
Bisher steht nur so viel fest: Der Airbus 330 hatte am 1. Juni um 3.30 Uhr morgens zuletzt Funkkontakt mit der brasilianischen Luftraumüberwachung. Etwa 45 Minuten später flog die Maschine durch heftige Gewitter und setzte 24 automatische Fehlermeldungen ab, die auf einen Ausfall mehrerer Komponenten an Bord schließen lassen. Danach verschwand der Airbus von den Radarschirmen. Was die brasilianischen Suchtrupps am Tag danach im Meer auflasen, stellte sich als Schiffsmüll heraus. Die ersten Wrackteile, Leichen und Gepäckstücke fanden sie erst sechs Tage später.
Als äußerst wahrscheinlich gilt, dass der Airbus in großer Höhe auseinandergebrochen ist. Bei der Obduktion der Leichen stellte sich heraus, dass sie zahlreiche Knochenbrüche erlitten hatten. In den Lungen fand man aber kein Wasser. Die Passagiere müssen also bereits tot gewesen sein, bevor die Maschine im Atlantik versank.
Verkettung von Umständen?
Die Diskussion über die Unfallursache war bisher von Spekulationen bestimmt: Immer wieder war von einem Blitzschlag die Rede, der einen Kurzschluss verursachte und alle Geräte an Bord lahmlegte. Experten gaben allerdings sofort zu bedenken, dass ein Blitzschlag allein kaum zum Absturz führt. In den vergangenen 50 Jahren gab es nur 15 derartige Fälle – selten, aber eben doch.
Auch fehlerhafte Temposensoren wurden für die Katastrophe verantwortlich gemacht: Der Airbus meldete tatsächlich Geschwindigkeitsprobleme kurz vor dem Absturz. Beim Airbus-Hersteller waren schon seit Längerem Probleme wie Messungenauigkeiten oder Ausfälle durch die Vereisung der Sensoren bekannt. Nach dem Absturz und nachdem die Air-France-Piloten mit Streik drohten, wurden mindestens zwei der drei Sensoren dann schneller als geplant ausgetauscht. Allerdings, auch das geben Experten zu bedenken, könne ein Airbus ebenfalls ohne Messwerte vom Piloten sicher gesteuert werden.
Somit kann man wohl nicht von einer einzelnen Ursache sprechen, vielmehr gehen Experten von einer Verkettung von Ereignissen und Fehlern aus. Mit fatalen Folgen.
CHRONOLOGIE
■Die Air-France-Maschine hob am 1. Juni in Rio mit Kurs auf Paris ab, wenige Stunden später verschwand sie über dem Atlantik. An Bord befanden sich 228 Menschen, darunter eine junge Tirolerin. Erste Wrackteile und Leichen fanden Suchmannschaften erst am 6. Juni.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.06.2009)