Wie der Terror die Justiz beschäftigt

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Im neuen Jahr dürfte es in Österreich mehr Terroranklagen denn je zuvor geben. Im Mittelpunkt steht Graz: Dort steht der islamistische Prediger Mirsad O. vor Gericht.

Wien/Graz. Wie gehen Österreichs Strafgerichte mit Terrorismus-Tatbeständen um? Und was kommt im neuen Jahr diesbezüglich auf die Justiz zu?

Schon 2015 bekam man einen deutlichen Vorgeschmack: Unterstützer der Terrormiliz IS (Islamischer Staat) waren im Rahmen einer ganzen Serie von Prozessen angeklagt. Bundesweit gab es im abgelaufenen Jahr zwei Dutzend Terror-Verurteilungen (die strengsten Strafen lagen bei jeweils fünf Jahren Haft). Die Angeklagten waren großteils Flüchtlinge aus Tschetschenien, die versucht hatten, von Wien oder Niederösterreich über die Türkei in die vom IS kontrollierten Gebiete in Syrien zu gelangen (einigen war das auch gelungen, diese kehrten allerdings zurück und wurden angeklagt).

Doch die brisanteste Verhandlung steht noch bevor: Der salafistische Prediger Mirsad O. (34), Beiname „Ebu Tejma“, wird im Frühjahr in Graz vor Gericht stehen. Ein Termin für den Auftakt steht noch nicht fest. Dieser Fall ragt heraus: Mirsad O. ist der erste Angeklagte, dem außer IS-Mitgliedschaft auch Mord als terroristische Straftat vorgeworfen wird.

Innerhalb salafistischer Netzwerke ist Mirsad O. ein relativ bekannter Name. Dementsprechend werden die Sicherheitsvorkehrungen in und um das Grazer Landesgericht enorm sein. An bestimmten Verhandlungstagen soll die Öffentlichkeit aus Gründen der nationalen Sicherheit ausgeschlossen werden. Ein „Geheimprozess“ solle es werden, meinen kritische Beobachter. Schon jetzt herrscht bei einigen Justizvertretern Nervosität. Und das ist noch vorsichtig formuliert.

O. wurde am 28. November 2014 im Zuge einer in Wien, Graz und Linz durchgeführten Großrazzia festgenommen. Er lebte in einem Wiener Gemeindebau. Auch ein Dutzend anderer Verdächtiger ging der Polizei damals ins Netz. Nun ist O., wie berichtet, nicht der einzige Angeklagte. Auch ein Jihadist, den er zu einem terroristischen Mord in Syrien angestiftet haben soll, muss sich vor Gericht verantworten. Beide Männer bestreiten die ihnen zur Last gelegten Verbrechen.

O. stammt aus einer muslimischen Region in Südwestserbien. Im Balkankrieg flüchtete seine Familie mit ihm und seinen Geschwistern nach Wien. Ehe er zum international vernetzten Prediger wurde, hatte sich O. im arabischen Mekka von Islamgelehrten unterweisen lassen – von Männern, die von Kennern der Szene als radikal eingestuft werden.

2012 verbreiteten deutsche Salafisten im Internet Predigten von O. In einer der veröffentlichten Dateien heißt es etwa: Ebu Tejma sagt: „Wenn die Kuffar (Ungläubige, Anm.) die Muslime angreifen, dann ist es jedermanns Pflicht, gegen die Kuffar zu kämpfen und den Islam zu verteidigen.“ Und weiter: „Sogar die Frau muss dann kämpfen, auch ohne Erlaubnis ihres Mannes. Aber: Wenn sie weit reisen muss, muss ihr Bruder, ihr Vater oder ihr Mann mit dabei sein.“

Die Bosnien-Connection

Vor allem in Wien predigte O. alias Ebu Tejma – zum Beispiel in der vom Verfassungsschutz beobachteten Altun-Alem-Moschee (2. Bezirk) oder im Austria Bangladesh Cultural Center Baitul Mamur Masjid (20. Bezirk). Aber auch in Graz, in Deutschland oder in Bosnien hielt er seine Reden. Einer seiner interessierten Hörer soll Mohamed Mahmoud gewesen sein, jener radikale Islamist, der nach Verbüßung einer vierjährigen Terrorismus-Haftstrafe Österreich verlassen hatte, um sich – nach provokant inszenierter Verbrennung des österreichischen Passes – dem vorwiegend in Syrien und im Irak verbreiteten IS anzuschließen. Videos zeigen ihn bei der Ermordung von Menschen, die vom IS gefangen genommen wurden.

Islamistischer „Hauptideologe“

Zurück zu Mirsad O.: Wie die Justiz den 34-jährigen Familienvater einschätzt, ergibt sich nicht erst aus der Mordanklage. Schon in einem U-Haft-Beschluss des Landesgerichts Graz hatte es geheißen: „Mirsad O. ist aufgrund der bisherigen Ermittlungen in Österreich Hauptideologe für den globalen jihadistischen Islamismus.“

O. hingegen hat bereits aus der U-Haft via Anwalt ausrichten lassen, er habe nie junge Menschen dazu angestachelt, sich dem IS anzuschließen. Auch ließ er verlauten, dass er die jüngsten Terroranschläge von Paris verurteile.

Die Wahrheit zu finden wird Sache der Geschworenen sein. Gut möglich, dass das Grazer Terrorverfahren, in dem die Justizwache wohl wieder schwarz maskiert auftreten und damit erneut für Diskussionen sorgen wird, das ganze Jahr hindurch läuft. Und: Mag diese Verhandlung auch die spektakulärste sein – sie wird bei Weitem nicht die einzige bleiben: An die 200 Terrorverfahren, weit mehr als je zuvor, sind 2015 in Österreich angefallen. Und harren nunmehr der Erledigung durch die Justiz.

ANKLAGE: MORD

Der salafistische PredigerMirsad O. (34) soll ab dem Frühjahr in Graz vor den Geschworenen stehen. Auch ein zweiter Mann ist angeklagt. Erstmals wirft die Anklage zwei mutmaßlichen Mitgliedern der Terrororganisation IS auch Mord vor – Mord als „terroristische Straftat“, wie es heißt. Beide Männer bestreiten die Vorwürfe. Es gilt die Unschuldsvermutung. Außer O. werden 2016 in Österreich auch Dutzende andere Islamisten vor Strafgerichten stehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.01.2016)

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