Andreas Kofler, 31, und Thomas Diethart, 23, sind beide Tourneesieger – und stehen nicht mehr im Adlerteam. Der Tiroler verpasste die Bergisel-Qualifikation klar, der Tullnerfelder ist gar nur Tournee-Zuschauer.
Innsbruck. Erfolg ist vergänglich, in jeder Sparte des Lebens. Im Sport ist der Glanz vergangener Tage jedoch noch schneller vergessen, es gibt Bewerbe sonder Zahl. Täglich fallen neue Rekorde, gibt es Bestweiten. Überall drängen neue Namen ins Rampenlicht – und wenn Sieger oder Tournee-Sternchen von einst nicht mehr mithalten können, sind sie im Skisprung-Zirkus schneller aussortiert, als ihnen lieb ist. Auch im ÖSV, denn, so herzlich Cheftrainer Heinz Kuttin auch wirken mag, lässt die Leistung zu wünschen übrig, ist kein Platz mehr im Adlerhorst.
Besonders hart trifft es dieser Tage den Tiroler Andreas Kofler und Thomas Diethart. Beide Skispringer haben eines gemein: Sie wurden einst triumphal als Tourneesieger gefeiert. Kofler, 31, siegte 2010. Dietharts Stern ging in der Saison 2013/2014 auf, wie aus dem Nichts gewann er diesen Klassiker. Jetzt ist auch der als „Überflieger aus dem Tullnerfeld“ gepriesene Niederösterreicher, 23, nur noch Zuschauer. Er fällt in Ermangelung passender Form für das ganze Event aus, Kofler vergab die Chance in der Qualifikation auf dem Bergisel mit 110,5 Metern kläglich.
Der Höhenrausch ist dem Lagerkoller der Enttäuschten gewichen. Das Rätselraten, warum die Form, das Können und vor allem das richtige Gefühl für den Absprung und das Spiel mit der Luft verschwunden sind, hält an. Diethart glaubt sogar, dass er das Skispringen „echt verlernt“ habe. Kofler lächelt wie immer unbekümmert, der Polizist ringt aber um Form, Haltung und wenngleich es der Tiroler nicht zugeben würde, er hat sich gewiss nicht nur einmal schon mit dem finalen Absprung aus dem Schanzen-Zirkus beschäftigt. Zur Erinnerung: 2006 fehlten ihm in Pragelato 0,1 Punkte auf Olympiagold, danach konnte er zwar noch fünf Goldmedaillen landen mit der Mannschaft bei WM und den Spielen, doch der Durchbruch klappte nicht. Seit Engelberg im Dezember 2012 ist er nun schon sieglos, er ist auch nicht mehr in den Top 55 der Welt zu finden. Doch weiterhin wähnt er seinen Sturzflug noch nicht mit einer Bruchlandung beendet. „Ich weiß auch nicht, was los ist. Ich habe den Absprung hier einfach nicht erwischt“, meinte Kofler im Schanzenauslauf des Bergisel. Hier, auf einer Schanze, die er wahrlich aus dem Effeff kennt. Dass er bei seinem Heim-Event nur Zuschauer sein würde, hätte er sich nicht gedacht. Das sei extrem bitter.
Skispringer gelten als filigrane Wesen, ihr Sport als empfindlich, und Kleinigkeiten genügen, um intakte Systeme zu zerstören. Die Höchstweite mit Telemark ist eine hohe Kunst. Das weitaus härtere Werk ist es, im Tief durchzuhalten und Fragen nach dem Warum für die keineswegs Skisprung-affine Außenwelt begreifbar zu machen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.01.2016)