Von den Pensionen bis zur Mindestsicherung ist Sozialminister Rudolf Hundstorfer zunehmend ein Getriebener. Die hohe Arbeitslosenrate ist für den SPÖ-Ressortchef die größte Bürde.
Wien. Es war geradezu typisch für Rudolf Hundstorfer. Jahrelang hatte Österreich die EU-Richtlinien für die kürzere Arbeitszeit der Spitalsärzte verdrängt. Auch der Sozialminister, der seit Dezember 2008 im Amt ist, hatte sich bei dem Thema so lange weggeduckt, bis es nicht mehr anders ging. Mit Beginn 2015 wurden dann per Gesetz die Weichen für eine Höchstarbeitszeit von 48 Stunden gestellt. Jedenfalls kann Hundstorfer damit diesen Punkt als erledigt abhaken.
Hundstorfer ist einer, der sich mit Reformen lange Zeit lässt. Nur keine Wellen, ist sein unausgesprochenes Motto. Er ist ein Verwalter des Status quo, der Probleme gern kleinredet. In seiner jetzigen zweiten Amtszeit seit Dezember 2013 fällt das besonders auf. Je häufiger Hundstorfer als künftiger SPÖ-Bundespräsidentschaftskandidat genannt wurde und je näher die endgültige Entscheidung rückt, die spätestens am 15. Jänner fallen wird, umso größer wurde die Unlust, Einschnitte vorzunehmen.
Nach Änderungen blockt er nun ab
Der Sozialminister lebt von den Pensionsänderungen, die bis 2013 vorgenommen wurden. Dazu zählen vor allem der erschwerte Zugang zur Hacklerfrühpension und die Verschärfungen bei der Invaliditätspension. Nicht umsonst verweist er darauf, dass das tatsächliche Pensionsantrittsalter nun im Schnitt mit 60,2 Jahren sogar über dem von der rot-schwarzen Koalition vereinbarten Richtwert für 2018 liegt (freilich auch durch einen statistischen Kniff). Er rechnet außerdem vor, dass sich die Einsparungen bei den Pensionen seit 2009 bereits auf neun Milliarden Euro summieren.
Aber trotz all der Änderungen müssen laut Prognosen in den kommenden Jahren noch mehr Milliarden aus dem Budget zu den Pensionen zugeschossen werden. Die raschere Anhebung des Frauenpensionsalters an jenes der Männer, über die auch Hundstorfer in der vergangenen Legislaturperiode nachgedacht hat, blockte er später ab (siehe Bericht unten). Ein automatisch höheres Pensionsalter wegen der steigenden Lebenserwartung kommt für ihn nicht infrage. Im Falle seiner Nominierung für die Hofburg-Wahl hätte das für Hundstorfer den Vorteil, dass er sich nach dem Rücktritt als Minister beim Pensionsgipfel am 29. Februar 2016 nicht mehr darüber streiten muss.
Gleiches gilt für weitere Problemzonen. Die Zahl der Bezieher einer Mindestsicherung steigt seit der Einführung im September 2010 stetig und wird für die Bundesländer zur finanziellen Belastung. Dabei steht aber die noch größere Herausforderung erst bevor: Denn als eine Folge des Ansturms Tausender Flüchtlinge nach Österreich wird damit gerechnet, dass diese angesichts der ohnehin vorhandenen Probleme auf dem Arbeitsmarkt vorerst Mindestsicherung beziehen werden.
Was Verschärfungen beim Bezug dieser Sozialhilfe betrifft, so hat der Sozialminister bisher vor allem den Ländern den Schwarzen Peter zugeschoben. Diese hätten schon jetzt die Möglichkeit, mit einem strengeren Vollzug den Druck zu erhöhen, damit Bezieher Arbeit annehmen und Missbräuche abgestellt werden. Bundesweit einheitliche Kontrollen sind jedoch ausständig.
Beim Pflegegeld gibt es unter Hundstorfer nun nach sieben Jahren eine Erhöhung um zwei Prozent. Gegen Proteste hat er Anfang 2015 bereits Verschärfungen beim Zugang zu den beiden niedrigsten Stufen des Pflegegeldes eingeführt. Alle Probleme sind damit keineswegs vom Tisch: Schließlich stellen sich die Länder im Zuge des Finanzausgleichs schon wieder für mehr Geld für den Pflegefonds an.
Rauere Zeiten mit Mitterlehner
Eines hat sich nicht geändert: Umtriebig ist der gute Netzwerker Hundstorfer hinter den Kulissen stets. Auch bei der Steuerreform hatte er seine Hände im Spiel. Lange bildete er mit Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner das Parade-Koalitionsduo, das auf öffentliche Watschentänze verzichtete. Seit Mitterlehner im Spätsommer 2014 ÖVP-Obmann und Vizekanzler geworden ist, ist auch zwischen den beiden das Klima rauer geworden.
Der frühere ÖGB-Präsident setzte als gelernter und eingefleischter Sozialpartner weiter ganz auf die Achse zwischen Gewerkschaft und Wirtschaft. Allerdings verzeichnete der Motor der Ersatzregierung etliche Aussetzer: Bei flexibleren Arbeitszeiten reichte es nur für einen Minikompromiss, das Bonus-Malus-System zur Beschäftigung Älterer kommt nur in abgespeckter Form. Als Erfolg kann der Minister verbuchen, dass das Maßnahmenpaket gegen Sozialbetrug verschärft wurde, in einem umfangreichen Gesetzespaket erfolgten unter anderem Nachjustierungen für All-in-Verträge.
Der besondere Schmerz
Überschattet wird die politische Arbeit des Sozialministers in dieser Legislaturperiode freilich von der hohen Arbeitslosigkeit, die wie ein Stachel im Fleisch des SPÖ-Politikers schmerzt. Die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 konnte das Duo Hundstorfer/Mitterlehner mit Notmaßnahmen wie Vereinbarungen über Kurzarbeit weitgehend abfangen.
Nun sind jedoch trotz zusätzlicher Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik mehr als 400.000 Menschen arbeitslos gemeldet oder in Schulungen. Für einen Sozialminister ist es wie ein Schlag ins Gesicht, wenn – wie eben – mehr als 1200 Mitarbeiter einer Supermarktkette ihren Job verlieren. Dabei haben Regierung und Sozialminister die Arme nicht in den Schoß gelegt. 350 Millionen Euro werden zusätzlich für die Beschäftigung von Älteren über 50 Jahren lockergemacht. Zwar nimmt in dieser Altersgruppe die Beschäftigung zu, gleichzeitig steigt die Arbeitslosigkeit hier aber besonders stark.
Was ihm noch mehr Kopfzerbrechen bereitet, ist der Umstand, dass Ökonomen in absehbarer Zeit keine Besserung der Situation auf dem Arbeitsmarkt sehen. Keine rosigen Aussichten, auch nicht für einen etwaigen Nachfolger Hundstorfers, wenn dieser in den Präsidentschaftswahlring steigt.
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("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.01.2016)