Die polnische Regierung attackiert Berlin scharf. Grund dürfte die Ankündigung des deutschen EU-Kommissars Oettinger gewesen sein, die Einhaltung von EU-Grundwerten prüfen zu lassen.
Warschau/Brüssel. Der Konflikt um das neue polnische Mediengesetz und eine Entmachtung des polnischen Verfassungsgerichts durch die nationalkonservative Regierung in Warschau droht zu eskalieren. Der polnische Außenminister, Witold Waszczykowski, attackierte Deutschland, dessen EU-Kommissar Günther Oettinger zuvor ein EU-Verfahren gegen das Land angeregt hatte.
Die Deutschen sollten sich fragen, was sie von Polen wollen, sagte der Minister in einem Interview mit der „Bild“. „Braucht ihr Polen nur als Pufferzone zu Russland? Als Lieferanten billiger Arbeitskräfte? Als Zulieferer und verlängerte Werkbank für große deutsche Konzerne?“ Waszczykowski betonte, er erwarte sich mehr Solidarität der Deutschen innerhalb der EU.
Grund für die Verstimmung ist die zunehmende Kritik auch von deutschen Politikern am Kurs der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Deutschlands EU-Kommissar Oettinger hatte angekündigt, er werde sich bei der Sitzung der EU-Kommission am 13. Jänner dafür einsetzen, „dass wir jetzt den Rechtsstaatsmechanismus aktivieren und Warschau unter Aufsicht stellen“. Zuspruch bekam er vom CDU-Europaabgeordneten Elmar Brok.
Die neue polnische Regierung steht in der EU massiv in der Kritik. Unter anderem hat das Parlament zum Jahreswechsel im Eilverfahren ein Mediengesetz verabschiedet, das die Regierungspartei von Jarosław Kaczyński vorgelegt hat. Damit werden die Chefs der öffentlich-rechtlichen Sender künftig direkt von der Regierung ernannt oder abberufen. Eine zuvor verabschiedete Reform des Verfassungsgerichts erschwert zudem die Arbeit der Verfassungshüter und gibt der PiS-Regierung mehr Durchsetzungsmacht.
Die EU-Kommission will als Konsequenz Mitte Jänner über die Lage des Rechtsstaates in Polen beraten. Die geplante Beratung ist die Vorstufe zu einem Prüfverfahren, das die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit durch die Mitgliedstaaten überwachen soll. Das kann bis zur Aberkennung des Stimmrechts führen.
Polen akzeptiert Quote
Gleichzeitig hat die polnische Regierung angekündigt, sie werde 7000 Flüchtlinge aufnehmen. Damit wird die in der EU vereinbarte Aufteilung der Schutzbedürftigen akzeptiert. Waszczykowski erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, Polen werde sich an die Zusagen der Vorgängerregierung halten. Die Rechtmäßigkeit einer EU-weiten Quote stellte er dennoch infrage. Polen habe aber derzeit nicht vor, wie die Slowakei und Ungarn gegen die Aufteilung der Flüchtlinge vor Gericht zu ziehen. Warschau sei in dieser Frage aber weiterhin mit beiden Ländern in Kontakt. (ag.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.01.2016)