Industriellenvereinigung will Schulfächer komplett umkrempeln

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die Industriellenvereinigung schlägt vor, einen neuen Fächerkanon zu schaffen und dafür „totes Wissen“ aus den Lehrplänen zu entfernen. Doch schon die Wünsche der IV zur Bildungsreform fanden wenig Gehör.

Wien. „Die Zeit ist unsicher, man muss heute vernetzt denken“ – so begründet Eva Haubner, Schulbeauftragte der Industriellenvereinigung (IV), einen weiteren Vorstoß in der Bildungspolitik. Konkret ausgearbeitet soll dieser in den nächsten Monaten werden. Schon jetzt ist aber klar, in welche Richtung es gehen soll: Die IV wünscht sich eine komplette Neustrukturierung des Fächerkanons.

Haubner nennt dazu mehrere Beispiele: So sollen Mathematik, Physik, Chemie, Biologie, Informatik und Werken das neue große Fach Science & Technology bilden. Bei der Verschränkung dieser Fächer stünde der Bezug zur Praxis in Wissenschaft und Technik im Vordergrund. Politische Bildung und Wirtschaftsbildung sollen als eigene Fächer eingeführt werden.

Angedacht wird außerdem das Fach Demokratie, Werte, Ethik. Um diese Umstrukturierung zu ermöglichen, müsse an anderer Stelle entrümpelt werden. „Totes Wissen“ könne aus den Lehrplänen entfernt werden. Konkrete Ideen, was in der Schule nicht mehr behandelt werden soll, gebe es aber noch nicht. Denn auch eine breite Allgemeinbildung sei Haubner zufolge wichtig, und zwar sowohl für den einzelnen Menschen als auch aus Arbeitgebersicht.

Im Zuge der Umstrukturierung will die IV in der Schule auch mehr Platz für wirtschaftliche Bildung und Finanzbildung schaffen. Diese soll einerseits alltagstauglich sein: Zum Beispiel soll behandelt werden, wie man ein Konto eröffnet. Andererseits soll es auch um die großen ökonomischen Zusammenhänge gehen. An einem derzeitigen Fokus der Wirtschaftserziehung in der Schule übt Haubner Kritik: Viele Themen würden aus Verbrauchersicht kritisch behandelt werden, die Unternehmersicht käme dabei aber zu kurz. Zwar sei ein kritischer Umgang mit Konzerninteressen wichtig, es dürfe dabei aber nicht der Eindruck entstehen, dass Unternehmer generell böse seien. Daher solle auch unternehmerisches Denken gefördert werden: Kinder sollten lernen, dass es gut ist, ein Unternehmen zu gründen.

Nicht der erste IV-Vorstoß

Mit dem Ruf nach neuen Fächern schaltet sich die Industriellenvereinigung zum wiederholten Mal in die heimische Bildungsdiskussion ein. Bereits im Vorfeld der am 17. November präsentierten Bildungsreform versuchte die IV, Druck auf die Regierung auszuüben. Die Forderungen waren umfassend und wurden auch als Konzept ausformuliert: So wünschte sich die IV ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr, eine gemeinsame Schule der fünf- bis 15-Jährigen (der Begriff Gesamtschule wird dafür jedoch vermieden) und eine verpflichtende Ganztagsschule. Die neue Pflichtschule sollte in drei statt bisher zwei Phasen aufgeteilt und die Schulpflicht durch eine „Bildungspflicht“ ersetzt werden. Es gäbe dann keine zeitliche Beschränkung auf neun Jahre mehr, sondern Ziele, die erreicht werden müssten. Die Pflicht soll daher auch mit einer mittleren Reifeprüfung abgeschlossen werden.

IV-Präsident Kapsch nannte das „keine Reform, sondern eine Revolution“ im Bildungsbereich. Davon blieb die von der Regierung im November präsentierte Reform freilich weit entfernt. Bleibt abzuwarten, ob der Ruf nach neuen Schulfächern mehr Gehör findet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.01.2016)

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