Die bleibenden Erinnerungen an den Musiker Pierre Boulez

Pierre Boulez.
Pierre Boulez.(c) APA/AFP/DIETER NAGL
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Diskografie: Vom Bayreuther „Parsifal“ bis zu epochemachenden Aufnahmen von Musik der Wiener Schule.

Als Dirigent hat der am Dienstag verstorbene Pierre Boulez – jenseits des Diskurses über Wohl und Wehe des musikalischen Fortschritts – entscheidend dazu beigetragen, das Standard-Repertoire um Werke der sogenannten Neuen Musik zu erweitern. Das schlug sich in Schallplatten- und CD-Aufnahmen nieder, deren einige zum Fixbestand jeder gut sortierten Diskothek gehören sollten.

Obwohl Boulez viele bedeutende Kompositionen der Wiener Schule, von Strawinsky und Bartók mehrmals aufgenommen hat, genießen Pionier-Alben nach wie vor Referenzstatus. Voran die Gesamtaufnahme der mit Opuszahlen versehenen Werke Anton von Weberns (greifbar bei Sony).

Webern war ja der Allvater der Avantgarde nach 1945, und wenn sich auch der Komponist wie der Dirigent Boulez durchaus offen für Strömungen von ganz anderer Seite zeigte, galt die Webern-Kassette einst doch als das Chef d'Œuvre des Interpreten. Bis heute fasziniert die Klarheit der Darstellungen der oft nur nach Sekunden zählenden Stücke – und die Sinnlichkeit, mit der auch die kleinsten melodischen Fragmente erklingen.

Boulez' scheinbar unbeteiligte Dirigiergebärden erinnerten an Richard Strauss' Gebot: Du sollst beim Dirigieren nicht schwitzen, dem Publikum soll warm werden. Das gelang Boulez auch dort, wo er Partituren wirklich neu las: „Parsifal“ aus Bayreuth (mit James King, Gwyneth Jones und Karl Ridderbusch auf DG) hört man heute noch mit Gewinn; anders als den „Jahrhundert-Ring“, der an einer vokal schwächelnden Besetzung leidet und nur optisch (auf DVD zu haben!) ereignishaft ist.

Gehört haben sollte man die frühen Bartók-Aufnahmen (auf Sony), die schneidende Schärfe und rhythmische Prägnanz mit höchstem Ausdruck verbinden. Desgleichen die Darstellungen von Strawinsky-Werken wie „Chant du rossignol“ (mit Cleveland auf DG), die in seltener Farbenpracht erklingen. Das Album mit Musik Edgar Varèses (DG) darf schließlich als Musterbeispiel für Boulez' Einsatz für zu wenig gespielte Meister abseits der Avantgarde-Trampelpfade gelten. (sin)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.01.2016)

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