Britische Minister haben bei EU-Linie Freiraum

Der britische Premier David Cameron.
Der britische Premier David Cameron.(c) REUTERS (TOBY MELVILLE)
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Der britische Premier Cameron macht den Europagegnern in seiner Partei ein weiteres Zugeständnis. Es wird nicht das letzte gewesen sein. Denn auch sein eigenes Schicksal wird mittlerweile mit dem EU-Referendum verknüpft.

London. Angesichts wachsenden Drucks aus den Reihen seiner eigenen Partei hat der britische Premierminister, David Cameron, den EU-Gegnern unter den Konservativen ein weiteres bedeutendes Zugeständnis gemacht: Noch vor seiner Abreise zu den Gesprächen in Bayern und Budapest erklärte er vor dem Unterhaus, zwar werde die Regierung nach Abschluss der Verhandlungen Großbritanniens mit der EU eine Empfehlung aussprechen, aber es werde „jedem Minister freistehen, eine abweichende persönliche Meinung zu vertreten und dennoch Mitglied der Regierung zu bleiben“. Mehrere Minister hatten dem Vernehmen nach zuvor mit dem Rücktritt gedroht, sollte Cameron auf einer geschlossenen Linie bestehen. Sollten die Verhandlungen in Brüssel wie erwartet Zugeständnisse für die Briten bringen, wird damit gerechnet, dass der Tory-Vorsitzende im Gegenzug ein Ja empfehlen wird.

Im Juni hatte der Premier potenziellen Rebellen noch deftig mit dem Rauswurf gedroht („Back me or I sack you!“). Der frühere Handelsminister Lord Heseltine hatte ihn erst vor wenigen Tagen gewarnt, eine Aufgabe der Kabinettsdisziplin werde Cameron „zum Gespött in ganz Europa“ machen. Ein anderer Tory-Grande, der ehemalige Schatzkanzler Ken Clarke, bezeichnete die Entscheidung Camerons als „höchst unglücklich“. Heseltine und Cameron gehören zu der ständig schrumpfenden Gruppe liberaler EU-Freunde unter den Konservativen. Bei den Tories gewinnen die Gegner des Verbleibs des Landes in der Union immer mehr an Gewicht. Einer ihrer Wortführer, der Abgeordnete Steve Baker, behauptet, dass mittlerweile die Hälfte der 331 Tory-Abgeordneten gegen eine weitere EU-Mitgliedschaft ist. Für die Gesamtpartei sagt sein Kollege Bernard Jenkin: „Ich habe keinen Zweifel, dass die Mehrheit gegen den Verbleib stimmen wird.“

In der Zwickmühle

Cameron will von den 27 EU-Partnern eine Neuordnung des Verhältnisses und hofft auf eine Einigung auf dem Gipfel in Brüssel Mitte Februar. Dabei hat er sich in eine Zwickmühle manövriert: Den EU-Gegnern in Großbritannien sind seine Forderungen zu wenig weitgehend, den EU-Partnern hingegen gehen sie (zumindest im Bereich Migration und Sozialleistungen) zu weit, da sie die Freizügigkeit im Binnenmarkt betreffen.

Die Entscheidung werden die Briten in einer Volksabstimmung treffen, die bereits im Juni stattfinden könnte. Der Premier selbst hat sich vorbehalten, nach Verhandlungsabschluss eine Empfehlung für oder gegen den Verbleib in der EU auszusprechen. Zu Jahresbeginn warnten Wirtschaftsexperten und Wirtschaftsvertreter eindringlich vor massiven Einbußen für das Land bei einem EU-Austritt. Adam Posen, der Präsident des Peterson Institute for International Economics, sprach von der Gefahr einer „riesigen selbstzugefügten Verletzung“.

Dennoch macht Cameron den EU-Gegnern ein Zugeständnis nach dem anderen – etwa zu Fragen wie Dauer, Organisation und Finanzierung der Referendumskampagne. Doch auf jede erfüllte Forderung folgt mittlerweile eine neue und weiter reichende. Cameron hat nur eine knappe parlamentarische Mehrheit von zwölf Mandaten, und auf Unterstützung der sonst eher europafreundlichen Labour Party kann er ebenfalls nicht zählen.

Selbst die Position des Premierministers, der im Mai noch als strahlender Wahlsieger gefeiert wurde, erscheint nicht mehr unantastbar. Viele zweifeln, dass er bei einem negativen Ausgang des Referendums sein Amt behalten wird. Cameron stellte aber vor dem Unterhaus klar: Er werde nach der Abstimmung Premier bleiben, „was auch immer kommen wird“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.01.2016)

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