Traiskirchen: Kein Zugang zu Duschen

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Ein Zelt vor dem Erstaufnahmezentrum sollte als Lösung für eine Nacht dienen. Helfer berichten, dass Flüchtlinge hier schon seit Wochen wohnen – und auch auf dem Boden schlafen.

Traiskirchen. In der aktuellen Flüchtlingskrise wurden Zwischenlösungen schon einige Male zu Zuständen ohne Ablaufdatum. Derartige Tendenzen gibt es nun auch beim letzten Zelt Österreichs, das zur Flüchtlingsunterbringung genutzt wird. Es wurde vor Wochen vor den Toren des Erstaufnahmezentrums Traiskirchen mit einer Kapazität von rund 150 Plätzen errichtet, um akut drohender Obdachlosigkeit entgegenzuwirken – denn noch immer sind in der Erstaufnahmestelle alle Betten belegt. Die Idee des Innenministeriums: Personen, die in der Nacht ankommen oder lang warten müssen, bis die Formalitäten erledigt sind, sollen hier ausruhen können. Geplante Verweildauer: eine Nacht. Dann sollten sie in ein befestigtes Quartier wechseln.

Helfer vor Ort berichten der „Presse“ nun aber, dass es Personen gebe, die schon länger als einen Monat hier nächtigen. Dazu komme es zu Engpässen, es gebe zu wenige Feldbetten – die Menschen schliefen dann im Winter auf dem Boden. Das Zelt soll aber zumindest einigermaßen gut beheizt sein. Am belastendsten sei für die Flüchtlinge aber, dass sie kaum Möglichkeiten hätten, sich zu waschen. Zwar gibt es auf dem Gelände des Erstaufnahmezentrums in Traiskirchen Duschen – der Zutritt sei den Menschen aber verboten. Derzeit seien im Zelt etwa 30 Personen schon länger als zehn Tage.

1100 Minderjährige im Zentrum

Im Innenministerium waren Berichte zu derartigen Zuständen bisher nicht bekannt. Auf „Presse“-Anfrage zeigte man sich bestürzt und versprach, dem nachzugehen; sollte sich das bestätigen, wolle man das alsbald ändern. „So war das nicht gedacht“, heißt es.

Rasch ändern wollte man auch vor Monaten die Situation der vielen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge in Traiskirchen. Rund 1600 Personen befinden sich derzeit nach Auskunft des Traiskirchner Bürgermeisters, Andreas Babler (SPÖ), im Aufnahmezentrum – rund 1100 davon seien unbegleitete Minderjährige. „Das ist keine Umgebung für Kinder oder Jugendliche. Sie haben de facto den ganzen Tag keine Betreuung“, sagt Babler. Das führe auch zu Problemen, da sich vor allem die Älteren die Zeit im Ort vertreiben würden – und dabei auch Alkohol konsumieren. Das schüre Unsicherheit in der Bevölkerung, gerade nach Berichten über Vorfälle wie in Köln. „Die Stimmung ist gerade nicht die beste.“

„Wir wissen auch, dass das dort nicht ideal ist, aber für Minderjährige braucht es spezielle Plätze, und wir haben einfach keine zur Verfügung“, heißt es aus dem Innenministerium. Die Angebote aus den Ländern seien zu dürftig.

Im „Presse“-Gespräch erhebt Babler die Forderung nach weiteren Erstaufnahmezentren mit Vollkompetenz – also Zentren, in denen eine Vollbetreuung stattfindet und auch Erstinterviews gemacht werden. Derzeit gibt es nur zwei derartige Zentren: Eben Traiskirchen und Thalham in Oberösterreich, das allerdings nur wenige Plätze zur Verfügung hat.

Einen entsprechenden Antrag brachte Babler bereits im Herbst 2014 beim SPÖ-Bundesparteitag ein – er wurde auch beschlossen. Mit Sommer 2015 wurden dann aber sieben sogenannte Verteilerzentren in ganz Österreich errichtet, die auch innerhalb kürzester Zeit ge- und überfüllt waren. Vor allem die leicht zu entscheidenden Fälle bzw. jene, bei denen recht sicher ist, dass ein Asylverfahren überhaupt gestartet wird (z. B. Syrien), kommen hierher, um dann möglichst schnell in Quartiere der Länder weitervermittelt zu werden. In den Erstaufnahmezentren Traiskirchen und Thalham befinden sich momentan vor allem unbegleitete Minderjährige und schwierigere Fälle – wie Asylanträge aus dem Kosovo oder Albanien.

Egal, wie die Quartiere heißen

„Wenn Traiskirchen entlastet werden soll, braucht es mehr derartige Erstaufnahmezentren, mit einer Kapazität von 200 bis 300 Menschen“, schlägt Babler vor. Er ist sich sicher: „Den Menschen wäre es egal, ob sie in ihrer Gemeinde ein Erstaufnahmezentrum oder ein Länderquartier mit einer solchen Kapazität bekommen.“ Das ändere an Akzeptanz oder Nichtakzeptanz nichts – Freude hätten die Gemeinden meist sowieso keine damit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.01.2016)

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