Nach dem schwarzen Montag ging es weiter nach unten. Vor allem deutsche Autowerte und Rohstofftitel gerieten unter Druck.
Wien. Nachdem die Börsen in China zum zweiten Mal in dieser Woche so stark eingebrochen sind, dass der Handel beendet werden musste, machte sich weltweit Sorge breit. US-Starinvestor George Soros fühlte sich gar an die Anfänge der Finanzkrise erinnert. „Wenn ich mir die Finanzmärkte anschaue, dann gibt es dort ernste Probleme. Das erinnert mich an die Krise, die wir 2008 hatten“, sagte er zur Agentur Bloomberg.
Tatsächlich haben einige Börsenindizes in den wenigen Tagen des laufenden Jahres fast ihre ganzen Vorjahresgewinne verloren. Der deutsche DAX rutschte am Donnerstag zeitweise unter 10.000 Punkte und lag nur knapp über dem Niveau von vor einem Jahr. Besonders schlimm erwischte es Volkswagen, BMW und Daimler, die stark in China aktiv sind. Alle drei häuften zwischen Jahresbeginn und Donnerstagnachmittag zweistellige Verluste an. Am tiefsten mit 15 Prozent fiel VW: Dem Konzern macht neben der China-Flaute auch der Abgasskandal zu schaffen.
Dem ATX erging es nur wenig besser: Mit knapp sechs Prozent hat er bis dato um zwei Prozentpunkte weniger verloren als der DAX. Am Donnerstag fiel er kurzzeitig auf 2253 Punkte. Die Analysten von Raiffeisen und Erste Group, die kürzlich einen Anstieg bis Jahresende auf 2550 Punkte prophezeit hatten, wollen an dieser Prognose dennoch festhalten. „Wir haben keine neuen Informationen“, meinte Raiffeisen-Analyst Peter Brezinschek zur „Presse“. Der chinesische Einkaufsmanagerindex, der als Auslöser für die jüngsten Verwerfungen in China gilt, schwanke schon seit 2011 zwischen 47 und 50 Punkten, liege also seither fast immer unter der Schwelle von 50, ab der Wachstum angezeigt wird.
Die Probleme Chinas (hohe Verschuldung der Unternehmen, Verlangsamung des Wachstums) seien nichts Neues, meint auch Erste-Analyst Fritz Mostböck. Sie dürften das ganze Jahr immer wieder die Börsen belasten. Dass die chinesischen Börsen, die großteils von inländischen Anlegern dominiert werden, die Märkte in Europa und Asien anstecken, glaubt Brezinschek nicht. Wohl aber wäre eine Abwertung der chinesischen Währung Yuan belastend für amerikanische und deutsche Unternehmen. Österreichische Firmen sind kaum in China aktiv. Mostböck hofft, dass den heimischen und osteuropäischen Börsen die geringe China-Abhängigkeit mittelfristig hilft und dass sie sich von anderen Schwellenländern abkoppeln.
Nur Gold ist wieder gefragt
Seit Jahresbeginn konnte sich indes kaum ein Markt abkoppeln. Das zeigt auch der Korrelationskoeffizient von Bloomberg, der den Gleichlauf zwischen dem europäischen Stoxx Europe 600 und dem US-amerikanischen S&P 500 misst. Mit 0,62 liegt er so hoch wie seit vergangenem August nicht mehr. Damals hatten ebenfalls die Sorgen um China die Börsen ins Wanken gebracht.
Der Ölpreis fiel am Donnerstag auf ein neues Zwölfjahrestief (ein Barrel der Nordseesorte Brent kostete zeitweise weniger als 33 Dollar), auch die Preise für Industriemetalle rutschten ab. Neben den Autokonzernen gaben vor allem Rohstofftitel nach: Anglo American, der im Vorjahr fast 70 Prozent verloren hatte, musste seit Jahresbeginn fast ein Fünftel abgeben. Einer der wenigen Gewinner im britischen FTSE ist das Goldunternehmen Randgold. Denn der seit Jahren schwächelnde Goldpreis konnte sich zuletzt von der Entwicklung der übrigen Rohstoffe und der Aktien abkoppeln – und zulegen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.01.2016)