CES: Aus dem Auto wird ein rollender Computer

BMW´s Vlatko Kalinic demonstrates a gesture control feature to control the radio volume in a 2016 BMW 750i sedan during the 2016 CES trade show in Las Vegas
BMW´s Vlatko Kalinic demonstrates a gesture control feature to control the radio volume in a 2016 BMW 750i sedan during the 2016 CES trade show in Las Vegas(c) REUTERS (STEVE MARCUS)
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Die weltgrößte Technologiemesse in Las Vegas verwandelt sich in eine Autoshow: Selbstfahrende und vernetzte Gefährte sind die künftigen Datenquellen für Google, Apple und Co. Die traditionellen Hersteller halten dagegen.

Wien/Las Vegas. Das schwarze Ding erinnert an das Gefährt des Comic-Helden Batman. Entworfen hat den Elektrosportwagen ein Start-up aus Kalifornien, vor eineinhalb Jahren gegründet, von einem chinesischen Milliardär finanziert. Was Faraday Future außer einer sündteuren Batteriefabrik wirklich draufhat, blieb auch bei der Präsentation im Dunkeln. Dafür verriet das Management, woher seine Mitarbeiter kommen: nicht etwa von Ford und General Motors. Vom Elektropionier Tesla, natürlich – aber auch von Apple, Google und der Nasa.

Das Auto der Zukunft ist eben keine Konstruktion aus Keilriemen, Kolben und reichlich Schmieröl. Sein Herz schlägt binär, seine Bausteine sind Bits und Bytes. Ein Computer auf vier Rädern, der selbstständig durch die Straßen navigiert, dabei Daten sammelt und austauscht, ständig dazulernt und nebenbei seine Insassen bei Laune hält. Noch nie wurde das so deutlich wie in diesen Tagen bei der Consumer Electronic Show (CES).

Eigentlich ist das Event in Las Vegas die größte Messe für Unterhaltungselektronik. Hier erblickten die Videokassette und der CD-Player das Licht der Weltöffentlichkeit. Aber für noch flachere Fernseher und Datenbrillen, die in künstliche Welten entführen, will sich heuer niemand so recht begeistern. Die Messe gehört den Fahrzeugen. Dabei folgt schon ab Montag das eigentliche US-Treffen der Branche. Doch Las Vegas stiehlt der Show in Detroit klar die Show.

VW holt bei E-Autos auf

Aus gutem Grund verkündet Volkswagen seinen technologischen Neustart nach dem Abgasskandal in der Wüste von Nevada. Mit dem eBudd, einem batteriebetriebenen Konzeptauto mit optischen Anklängen an den guten alten VW-Bus, wollen die überführten Betrüger die Herzen der Amerikaner zurückgewinnen. Es ist der erste eigene Stromer von VW, bei dem nicht nur ein elektrischer Antrieb in ein konventionelles Modell wie dem Golf eingepflanzt wurde. Günstig (wie ein gut ausgestatteter Passat), mit brauchbarer Reichweite (über 500 Kilometer) und rasch geladen (in einer halben Stunde) könnte er Teslas Limousinen ab Ende des Jahrzehnts das Fürchten lehren. Aber das spielt sich im kleinen Segment der E-Autos ab, das durch den niedrigen Ölpreis derzeit kaum vom Fleck kommt.

Gut möglich, dass es das selbstfahrende Auto schneller schafft, die Straßen zu erobern. Experten rechnen schon 2020 damit. Auch die Allianz von Renault und Nissan kündigt eigene Roboterautos in vier Jahren an. Unter der Karosserie eines solchen Fahrzeugs schlagen immer zwei Herzen: Hardware und Software. Bei der Hardware hat Nvidia die Nase vorn. Die Firma aus dem Silicon Valley hat bei der CES einen Supercomputer mit der Rechenkraft von 150 Laptops präsentiert, kombiniert mit Videokameras, Radar und Sensoren – all das in der Größe einer Schuhschachtel. Und die Software für das automatisierte Fahren, die verbleibende Bedienung und die Vernetzung? Dieses „Betriebssystem“ im Auto von morgen ist das Objekt des Begehrens für Amerikas IT-Riesen. Google und Apple fischen so nach den Daten der transportierten Konsumenten: Vor welchem Geschäft machen sie halt? Was schauen sie sich während der Fahrt im Internet an? Alles wertvolle Informationen für Werbekunden.

Gesundheit im Dauercheck

In Deutschland stößt das auf Skepsis. BMW betont, bei seinem automatisierten Konzeptfahrzeug alles Wichtige im Haus programmiert zu haben, beispielsweise das Armaturendisplay, das auf Handbewegungen reagiert. Auch der eBudd von VW schwelgt in Spielereien, wie Türen, die sich auf Sprachbefehl öffnen, und einer Postlade unter dem Kofferraum, wo sich gestresste Onlinekäufer ihre Pakete deponieren lassen. Lieber akzeptieren deutsche Autobauer die Hilfe bei der Parkplatzsuche von Bosch: Sensoren vermessen beim Vorbeifahren freie Stellplätze. Die Info landet in Karten, die sich per Smartphone oder Navi abrufen lassen.

Und abseits der rollenden Rechner? Vor allem bei den Gesundheitscomputern am Körper tut sich viel. Zuckerkranke können auf Software hoffen, die vor einem drohenden Anfall rechtzeitig warnt. Eher Amüsement erregt ein smartes WC, das nicht nur das Gewicht misst, sondern auch die Exkremente analysiert. Sicher sinnvoll – aber wie so oft bei der CES bleibt ein Verdacht: dass so manche Innovation, vom Fluss der Zeit hinweggespült, im Abfluss der Technologiegeschichte landet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.01.2016)

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