EU-Kommission will Polens Rechtsstaatlichkeit prüfen

PiS-Führer Kaczyński vor dem Verfassungsgericht.
PiS-Führer Kaczyński vor dem Verfassungsgericht.APA/AFP/WOJTEK RADWANSKI
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Die EU-Spitze sieht die Reform des Verfassungsgerichts unhaltbar. Polens Justizminister wehrt sich gegen Kritik am neuen Mediengesetz.

Die EU-Kommission zieht nach ihrer Kritik am Kurs der neuen polnischen Regierung womöglich weitere Konsequenzen. Sie werde am Mittwoch in die vertiefte Prüfung von Polens Rechtsstaatlichkeit eintreten, berichtete die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung".

Der Schwerpunkt der Prüfung liege dabei auf der Reform des Verfassungsgerichts, die von der Kommission als unhaltbar angesehen werde. Die Prüfung werde in Abstimmung mit der sogenannten Venedig-Kommission des Europarates stattfinden, berichtete die Zeitung. Der Rat arbeite an einem Gutachten dazu, das bis Mitte März vorliegen solle, wegen der Dringlichkeit aber auch vorgezogen werden könne. Auf dieser Grundlage müsse die Kommission dann entscheiden, ob sie formell in einen Prozess einsteige, der Änderungen in Polen zum Ziel habe.

Polen könnte EU-Stimmrecht entzogen werden

Die rechtsnationale Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) war aus der Wahl in Polen im Oktober als Sieger hervorgegangen und regiert seit Mitte November mit absoluter Mehrheit. Die seither beschlossene Reform des Verfassungsgerichts hatte bereits für massive Verärgerung in der EU-Kommission gesorgt, die dagegen rechtsstaatliche Bedenken geltend machte.

Mit dem kurz vor Jahresende verabschiedeten Mediengesetz versucht die Regierung zudem, die öffentlich-rechtlichen Medien an die Leine zu legen. Der für Medienpolitik zuständige EU-Kommissar Günther Oettinger hat deswegen bereits mit der Aktivierung des Rechtsstaatsmechanismus gedroht. Im Extremfall könnte Polen damit das Stimmrecht in der EU entzogen werden.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erwartet aber nicht, dass es dazu kommt. Die nationalkonservative Regierung in Ungarn hat Polen bereits ihre Unterstützung zugesagt und angekündigt, notfalls ein Veto gegen Strafen für Warschau einzulegen.

"Wer die Macht hat, hat das RAdio"

Der polnische Justizminister Zbigniew Ziobro hat in einem Schreiben an den deutschen EU-Kommissar Günther Oettinger Stellung zur Kritik am neuen Mediengesetz in Polen genommen. "Das Mediengesetz, an dem die polnische Regierung arbeitet, sieht bedeutend demokratischere Lösungen vor (als in Deutschland)", heißt es in dem offenen Brief.

In Deutschland gelte: "Wer die Macht hat, hat das Radio", schrieb Ziobro in dem Brief, der unter anderem auf der rechtskatholischen Webseite "Fronda.pl" veröffentlicht wurde, über die Zusammensetzung der Rundfunkräte im Nachbarland. Ziobro sprach zudem von "medialer Zensur der deutschen Medien" im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Übergriffe in Köln und anderen Städten, "die auch Sorgen um die Sicherheit der in Deutschland lebenden Bürger wecken".

Der Minister griff auch Oettinger an, der am vergangenen Wochenende in einem Interview angeregt hatte, Polen unter EU-Aufsicht zu stellen. "Solche Worte von einem deutschen Politiker wecken bei Polen die schlimmsten Assoziationen. Auch meine. Ich bin der Enkel eines polnischen Offiziers, der im Zweiten Weltkrieg im Untergrund gegen die "deutsche Aufsicht" kämpfte."

(APA/Reuters)

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