Außenminister Waszczykowski will gegenüber Botschafter Rolf Nikel "die Interessen Polens" und das Ansehen seines Landes verteidigen.
Wegen "antipolnischer Äußerungen deutscher Politiker" hat das Außenministerium in Warschau den deutschen Botschafter zu einem Gespräch gebeten. Außenminister Witold Waszczykowski werde Botschafter Rolf Nikel Montagfrüh treffen, teilte das Ministerium am Sonntag mit. Tags zuvor demonstrierten in mehr als 20 polnischen Städten zehntausende Menschen gegen das umstrittene neue Mediengesetz der rechtskonservativen Regierung von Ministerpräsidentin Beata Szydlo.
Waszczykowski wolle gegenüber Botschafter Nikel "die Interessen Polens" und das Ansehen seines Landes verteidigen, sagte ein Ministeriumssprecher dem Fernsehsender TVN24. Welche Äußerungen konkret den Zorn Warschaus hervorriefen, sagte er nicht. Zahlreiche deutsche Politiker hatten sich zuletzt kritisch über den Kurs Warschaus geäußert. Allein in Warschau versammelten sich am Samstag laut Stadtverwaltung etwa 20.000 Demonstranten vor dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk TVP. Sie schwenkten polnische und EU-Flaggen und riefen: "Freie Medien, freies Polen!" Die Demonstranten forderten "demokratische Medien" und riefen Parolen gegen die Regierung.
"Es gibt keine Demokratie ohne freie Medien"
Zu den Kundgebungen hatte das Komitee für die Verteidigung der Demokratie (KOD) aufgerufen. Auch in Berlin demonstrierten auf der Prachtstraße Unter den Linden auf einen KOD-Aufruf hin nach Teilnehmerangaben dutzende Menschen gegen den Kurs der polnischen Regierung. "Es gibt keine Demokratie ohne freie Medien", war auf einem Plakat zu lesen. "Ich erinnere mich noch an den Kommunismus, die Propaganda und die Zensur - und ich will nicht, dass meine Enkel dies auch erleben müssen", sagte der 51-jährige Demonstrant Jacek Kisielewski in Warschau. "Heute wollen sie die öffentlich-rechtlichen Medien kontrollieren, morgen die privaten und schließlich den ganzen Staat", sagte die 45-jährige Ewa Stanislawska.
Das neue Mediengesetz stellt die öffentlich-rechtlichen Sender de facto unter Regierungskontrolle. Das Parlament hatte das Gesetz zum Jahresende im Eilverfahren verabschiedet, am Donnerstag wurde es von Staatschef Andrzej Duda unterzeichnet. Die Regierung hatte zuvor bereits ein Gesetz zur indirekten Entmachtung des Verfassungsgerichts durchgebracht. Wegen der Maßnahmen steht die Regierung in der EU derzeit massiv in der Kritik. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) warf Warschau vor, eine "gelenkte Demokratie" nach russischem Vorbild errichten zu wollen. Ihr Ziel sei es, "das Wohl des Staats dem Willen der siegreichen Partei unterzuordnen", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".
Das Blatt berichtete zudem, dass in der EU-Kommission Einigkeit bestehe, eine vertiefte Prüfung der Rechtsstaatlichkeit in Polen einzuleiten. Demnach soll Vizekommissionschef Frans Timmermans die Untersuchung leiten - eine Vorstufe zu einem Verfahren, das der Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedstaaten dient. Die EU-Kommission will sich am Mittwoch mit der Lage des Rechtsstaats in Polen befassen. Der Chef der Unionsfraktion im Bundestag, Volker Kauder (CDU), zeigte sich offen für Strafmaßnahmen. "Wenn Verstöße gegen die europäischen Werte festzustellen sind, müssen die Mitgliedstaaten den Mut zu Sanktionen haben", sagte er dem "Spiegel".
Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) hat den Austausch zwischen der EU-Kommission und Polen im Zusammenhang mit der umstrittenen polnischen Medienreform begrüßt. "Ich glaube, dass es wichtig ist, diesen Kontakt zu haben und sich mit der Situation gemeinsam auseinanderzusetzen", sagte Kurz am Sonntag. "Es muss nicht nur im Interesse Europas, sondern auch im Interesse Polens sein, dass wesentliche Errungenschaften wie die Medienfreiheit gesichert sind", so der Außenminister. Nach Angaben des Magazins will Polens Regierungschefin Szydlo am 12. Februar zu ihrem lange erwarteten Antrittsbesuch nach Berlin kommen. Die deutsche Bundesregierung hatte die konservative Politikerin demnach bereits im November eingeladen, bisher aber keine Zusage erhalten. Weder aus Berlin noch aus Warschau wurde der Termin bisher bestätigt.
(APA/AFP)