Polens Regierung verbittet sich Kritik aus Deutschland

Der deutsche Botschafter in Polen wurde ins Außenministerium bestellt. Historische Vergleiche sorgen für Verstimmung.

Warschau. „Wir sind auf gutem Wege“, kommentierte der neue polnische Außenminister, Witold Waszczykowski (PiS), am Montag eine Aussprache mit Rolf Nikel, dem deutschen Botschafter in Warschau. Dieser war von Waszczykowski laut der neuen Tagesschau des polnischen Staatsfernsehens ultimativ wegen „antipolnischer Äußerungen deutscher Politiker“ einbestellt worden. Nikel betonte nach dem Treffen die freundliche Atmosphäre bei Waszczykowski, der einst in Berlin studiert hatte. „Die deutsch-polnischen Beziehungen sind ein Schatz, den wir bewachen wollen, damit sie sich in Zukunft weiter entwickeln“, sagte Nikel dem Polen. Beschlossen wurde deshalb ein möglichst schneller Polen-Besuch deutscher Parlamentarier, allenfalls im Rahmen der Treffen des außenpolitischen Ausschusses.

Welche Aussagen die neue polnische Regierung so sehr auf die Palme gebracht haben, dass sie zum üblicherweise bei weit drastischeren Problemen angewandten Mittel der Botschaftereinbestellung griff, präzisierte das polnische Außenministerium nicht. Waszczykowskis Pressesprecher verwies indes erzürnt vor allem auf Medienberichte in Deutschland. Immer wieder sei es dort in den vergangenen Tagen zu „antipolnischen Aussagen“ gekommen, jeder würde verstehen, worum es ginge. Das Warschauer Fass zum Überlaufen gebracht hatte vermutlich der Putin-Vergleich des Europaparlamentspräsidenten Martin Schulz in der „FAZ“-Sonntagszeitung. Schulz hatte der neuen polnischen Regierung unter der von Kaczynski als Regierungschefin vorgeschobenen Beata Szydlo schon früher ein „staatsstreichähnliches“ Verhalten im Streit um das Verfassungsgericht vorgeworfen. Weitgehend unbeachtet blieben dabei in polnischen Regierungskreisen ähnliche Einschätzungen der ehemaligen luxemburgischen EU-Justizkommissarin Viviane Reding. Sie warnte kürzlich davor, dass eine Abkehr vom Rechtsstaat immer mit einem Angriff auf das Verfassungsgericht beginne und stellte Putin, Orbán und Kaczynski in eine Reihe.

Die rechtsnationale PiS-Regierung hat sich stattdessen einzig auf die Kritik deutscher EU-Politiker eingeschossen. So antwortete am Samstag der polnische Justizminister, Zbigniew Ziobro, ein Hardliner aus der ersten Kaczynski-Regierung (2005–2007), nicht Reding, sondern schrieb aufgebracht an den deutschen EU-Kommissar Günther Oettinger.

„Schlimmste Erinnerungen“

In dem Brief verwehrte er sich gegen dessen auf Polnisch in der Tat seltsam klingende EU-Beamtenbezeichnung „Rechtsstaatmechanismus“, als handle es sich um eine im Grunde (Hitler-)deutsch inspirierte „Spezialkontrolle“. „Als Enkel eines AK-Partisanen erweckt dieses Wort bei mir die schlimmsten Erinnerungen“, schreibt der polnische Justizminister und rät Oettinger, sich statt um die polnischen Medien, die nun dank der PiS-Regierung wieder ausgewogen berichten würden, besser um das Schweigen deutscher Medien zu den Übergriffen in Köln zu kümmern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.01.2016)

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