Die Angst vor der Steuerdebatte

(c) Die Presse (Michaela Bruckberger)
  • Drucken

Die von IHS-Chef Felderer ventilierte Idee einer höheren Mehrwertsteuer stößt auf breite Ablehnung. Auch in Berlin schlagen Ökonomen höhere Mehrwertsteuern vor, während die Politik dementiert.

Wien. Wenn Politiker über Steuererhöhungen diskutieren, passiert das üblicherweise auf zwei Arten: auf eine offizielle und eine inoffizielle. Offiziell stießen die Steuerideen des obersten Staatsschuldenwächters, Bernhard Felderer, auf breite Ablehnung. Felderer sprach sich im Gespräch mit der „Presse“ am Donnerstag für eine Erhöhung der Mehrwertsteuer aus, um nach überwundener Wirtschaftskrise den Staatshaushalt sanieren zu können. Das sei der falsche Weg, hieß es vom Finanzminister abwärts.

Inoffiziell hörte man freilich von mehreren Seiten, dass man mittelfristig an neuen Einnahmen nicht vorbeikomme. Die Konjunkturpakete und die Wirtschaftskrise lassen die Staatsschulden auf ein gefährliches Maß steigen. Die OECD rechnet mit einer Verschuldung Österreichs von 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Mit Ausgabenkürzungen allein könne man die Schulden nicht auf ein erträgliches Maß von 60 Prozent des BIP zurückfahren, erklärt man.

Auch Berlin braucht mehr Geld

Österreich ist mit der Diskussion über eine höhere Mehrwertsteuer nicht allein. In Deutschland wird ebenfalls laut über eine „Adaptierung“ der Massensteuer nachgedacht. CDU-Finanzexperte Otto Bernhardt forderte eine Abschaffung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes von sieben Prozent, der vor allem für Lebensmittel gilt. Mit einer Anhebung auf die in Deutschland üblichen 19 Prozent würde der Staat jährlich 14 Milliarden Euro zusätzlich einnehmen.

Wirtschaftsforscher Klaus Zimmermann (DIW) spricht sich indessen für eine Anhebung des Mehrwertsteuersatzes auf 25 Prozent ab dem Jahr 2011 aus. Auch Wolfgang Franz, Chef der Wirtschaftsweisen (eines mit Ökonomen bestückten Sachverständigenrates, der die Regierung berät), hält höhere Steuern für unvermeidbar. Mit niedrigeren Ausgaben allein sei der verschuldete Staatshaushalt nicht zu sanieren.

Wie in Österreich fielen die offiziellen Reaktionen auch beim nördlichen Nachbarn negativ aus. Eine Steuererhöhung komme nicht infrage. Hinter den Kulissen ist aber klar, dass der Staat Geld braucht. Erst am Mittwoch hat der Bundestag den Haushaltsentwurf 2010 verabschiedet, der eine Neuverschuldung von 86 Milliarden Euro vorsieht – mehr als das Doppelte des Defizitrekords aus dem Jahr 1996.

Doch in Deutschland stehen im Herbst Neuwahlen an, und da ist eine Steuerdiskussion wenig dienlich. Nicht anders ist die Situation in Österreich: In Oberösterreich wird Ende September gewählt; wer jetzt Unterstützung für eine mögliche Steuererhöhung zeigt, muss in drei Monaten mit einer Revanche seitens der Bürger rechnen.

Eine rein ausgabenseitige Sanierung des Budgets wird aber nicht möglich sein, weil die Schulden des Staates schlicht zu hoch sind. IHS-Chef Felderer glaubt, dass die von der SPÖ geforderte höhere Besteuerung von Vermögen nicht genügen wird. Es bedürfe Maßnahmen bei einer Massensteuer, aber keinesfalls bei der Lohnsteuer, um die menschliche Arbeitskraft nicht weiter zu verteuern.

Wifo lehnt höhere MwSt ab

Im Gegensatz zum IHS lehnt das Wifo höhere Mehrwertsteuern kategorisch ab. „Das ist die falsche Debatte zur falschen Zeit“, so Wifo-Chef Karl Aiginger zur „Presse“. Zuerst müsse die Krise überwunden werden, dann seien die Ausgaben zu senken. Falls dann immer noch Geld fehle, könne auch über höhere Steuern nachgedacht werden. Das Wifo spräche sich in diesem Fall aber eher für höhere Mineralöl- und Vermögenssteuern aus.

Eine Anhebung der Mehrwertsteuer um „einige Prozentpunkte“ (Felderer) bis zu 25 Prozent sei sozial ungerecht, weil sie Menschen mit niedrigerem Einkommen stärker treffe. Zudem bestehe die Gefahr, dass die Umsätze zurückgingen. Letzteres war zumindest in Deutschland nicht der Fall, wo 2005 der Mehrwertsteuersatz „vorübergehend“ von 16 auf 19 Prozent angehoben wurde. Die Einnahmen aus der Umsatzsteuer betrugen 2006 knapp 147 Milliarden Euro, stiegen 2007 auf 169 Milliarden und lagen vergangenes Jahr bei 176 Milliarden Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2009)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.