Bachmann-Preis: Tabuzahlen in Kärnten - 1,8 und 142

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Josef Winklers harte Eröffnungsrede hat Reaktionen provoziert. Klagenfurts Kulturreferent Albert Gunzer wehrt sich.

Der Applaus war lang, fast so wie die Gesichter der Honoratioren nach Josef Winklers Eröffnungsrede zu den 33. Tagen der deutschsprachigen Literatur. Die beste Rede zum Bachmann-Preis, sagte der Klagenfurter Autor Egyd Gstättner, habe einst der verstorbene Kärntner Dichter Gert Jonke gehalten, die politischste nun aber Josef Winkler: Er ging in seiner (in der gestrigen „Presse“ abgedruckten) Rede erstmals auf Kommunales ein.

Vor den Ohren der Witwe des früheren Landeshauptmannes Jörg Haider rechnete Winkler mit der Politik in seiner Heimat ab. So beklagte er das schäbige Verhalten der Stadt Klagenfurt gegenüber ihrer großen Tochter Ingeborg Bachmann, nach der der Hauptpreis bei dem Lesewettbewerb benannt ist. „Das Geburtshaus besteht nur noch aus einer dreckigen Fassade, das spätere Wohnhaus verfällt, und die Gedenktafel ist längst zugewachsen“, ergänzt Gstättner. Kulturreferent Albert Gunzer, widerspricht heftig: „Wir haben jedes Mal vor dem Bewerb angeboten, das Grab Bachmanns herrichten zu lassen.“ Das sei von den Erben stets abgelehnt worden, sie wollten es nicht zur Pilgerstätte machen. Von der Stadt wäre es bereits budgetiert gewesen.

Ein weiterer Vorwurf Winklers: Die Stadt leiste sich nicht einmal eine Stadtbibliothek. „Der Vorwurf ist ein falscher“, sagt Gunzer, „Weil wir Universitätsstadt sind, wurde die Stadt- in eine Studienbibliothek umgewandelt, bestens ausgestattet, jeder kann hingehen.“ Außerdem gebe es die Arbeiterkammer-Bibliothek, mit der zurzeit Gespräche laufen, um sie in eine Stadtbibliothek auszuweiten. Welcher Name dann draufstehe, sei doch letztlich gleichgültig.

Gunzer gibt jedoch zu, dass die Optik des von Winkler erwähnten Beratervertrags, wonach ein Konsulent für eine zweimonatige Tätigkeit im Zusammenhang mit Klagenfurts neuem Fußballstadion sechs Millionen Euro erhalten habe, nicht gut sei. Aber das Stadion selbst habe der Bund bezahlt, und es sei eine einmalige Chance gewesen, ein desolates Stadion ersetzt zu bekommen. Im Übrigen finde er, dass solche Dinge in einer Eröffnungsrede zum Bachmann-Preis nichts verloren hätten, und eines lehne er als Politiker dezidiert ab: „etwas aufzurechnen oder Leute gegeneinander auszuspielen.“

Gstättner: „Umlaufgespenst“ Haider

Für Gstättner hingegen stimmt alles, was Winkler an der Kulturpolitik vermisst und an der „Finanzpolitik“ als zu viel empfindet. „Im Übrigen waren das keine Enthüllungen, Ortsansässigen ist das alles bekannt“, so der Satiriker, der sich hierorts oft arbeitslos gemacht fühlt. „Zwei Zahlen sind in Kärnten inzwischen tabu: 1,8 und 142.“ Satirisch lasse sich das nicht toppen. Der Kult um den im Oktober 2008 zu Tode gekommenen Landeshauptmann sei zur „Sightseeing-Trauer“ verkommen, befördert von Witwe Claudia, die bei sämtlichen Kulturveranstaltungen als „Umlaufgespenst“ auftrete, so Gstättner.

Nach einem solchen Anfang des Wettlesens ist die Befürchtung groß, dass die Rede der brisanteste Text bleiben wird. Der erste Vormittag mit Lorenz Langenegger, Philipp Weiss und Karsten Krampitz begeisterte das Publikum bei Weitem nicht so wie Winkler am Vorabend. Immerhin konnte die neue Moderatorin Clarissa Stadler die Diskussion nach der dritten Lesung deshalb erfrischend finden, „weil alle mit allen reden“. Gemeint war, dass sich Publikum und Autor an den Diskussionen der Juroren beteiligten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2009)

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